14.01.2024
Lehren von der COP28: Freiräume müssen erkämpft werden
Auf der COP28 in Dubai stellten Staaten und Unternehmen ihre Idee davon vor, wie das 1,5 Grad-Ziel erreicht werden könnte. Foto: Philipp Wagner
Auf der COP28 in Dubai stellten Staaten und Unternehmen ihre Idee davon vor, wie das 1,5 Grad-Ziel erreicht werden könnte. Foto: Philipp Wagner

Die Klimakonferenz in Dubai war geprägt von verschlossenen Türen und Business-Deals. Staaten, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Gruppen nutzten die Konferenz für sich. Aber was kam dabei heraus? Dis:orient war vor Ort.

Die 28. Weltklimakonferenz in Dubai hatte sich eine ambitionierte und weitreichende Agenda gesetzt, von erneuerbaren Energien bis hin zur Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel. Das zweiwöchige Zusammentreffen fand Anfang Dezember in den öl- und gasexportierenden Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) statt. Das gab Anlass zur Sorge, dass am Ende mehr Greenwashing als Klimaschutz betrieben würde. Ein Beispiel ist die Wahl von Sultan Ahmed Al-Jaber zum Vorsitzenden der COP: Al-Jaber ist Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate und zugleich Vorstandschef der staatlichen Ölgesellschaft ADNOC.

Die COP der Versprechungen und Ankündigungen

Bereits zu Beginn der Konferenz war klar, dass der COP-Vorsitz diese Konferenz zu einer besonderen, gar einer historischen machen wollte. So gaben schon am ersten Tag im Eröffnungsplenum verschiedene Delegationen unter anderem aus Deutschland, der Europäischen Union und den Vereinigten Arabischen Emiraten bekannt, dass sie signifikante Summen zum Fonds für Verluste und Schäden beisteuern wollen. Dieser wurde letztes Jahr verabschiedet und soll eine gerechtere Verteilung der Kosten des Klimawandels bewirken. Damit sollte der Ton für die Konferenz gesetzt werden: Kompromisse statt Blockaden sollten die Entscheidungsfindung prägen.

Mit verschiedenen runden Tischen wollten die Veranstalter:innen signalisieren, dass sie im Rahmen eines Mittelwegs sowohl Forderungen aus sozialen Bewegungen wie einen gerechten Übergang (Just Transition) für indigene Bevölkerungen, als auch Forderungen von Unternehmen wie die Förderung von grünem Wasserstoff und Energieeffizienz als Teil der Agenda verstehen. Die COP28 war eine Konferenz der großen Ankündigungen: Eine Koalition aus gasfördernden Staaten und Unternehmen gab bekannt, dass Lecks von Methangas stärker eingedämmt werden sollen, da sich das Treibhausgas deutlich stärker auf das Klima auswirkt als CO2. Zusätzlich verkündeten rund 120 Staaten, dass sie bis zum Jahr 2030 ihre Kapazitäten in erneuerbaren Energien verdreifachen wollen. Auf dem Papier bleiben diese Versprechen vorerst bestehen – sie finden sich in den Abschlusserklärungen wieder. Es bleibt jedoch abzuwarten, was in der politischen Realität davon umgesetzt und inwiefern diese Ambitionen in nationales Recht übersetzt werden.

Die COP der Depolitisierung: Verhandlungen hinter verschlossenen Türen

Mit mehr als 100.000 offiziellen Teilnehmer:innen hat sich die Zahl im Vergleich zur COP27 im ägyptischen Scharm el-Scheich mehr als verdoppelt. Zum Vergleich: An der ersten Klimakonferenz, die 1995 in Berlin stattfand, nahmen 3.969 Delegierte teil. Dies spricht erst einmal für ein herausragendes Interesse an den Verhandlungen. Zugleich haben Recherchen ergeben, dass sich mit rund 2.500 Lobbyist:innen der fossilen Energieindustrien auch Personen eingemischt haben, die wohl ein geringes Interesse an ehrgeizigem Klimaschutz haben.

Darüber hinaus haben Teilnehmende mit Beobachter:innenstatus beim Austausch mit der COP-Präsidentschaft kritisiert, dass viele der wesentlichen Sitzungen hinter verschlossenen Türen stattfanden und die Länder eine vergleichsweise große Anzahl an inoffiziellen Delegationsmitgliedern („Party Overflows“) mitbringen durften. Diese können beispielsweise Parlamentsabgeordnete oder Geschäftsführer:innen großer Unternehmen sein. Da Länderdelegationen bei vielen Veranstaltungen Vorrecht vor Beobachter:innen hatten, blieb letzteren dann der Zugang zu den wichtigsten Verhandlungen verwehrt. Die Veranstalter:innen konnten somit ihrer Selbstdarstellung von mehr Transparenz und Offenheit gegenüber zivilgesellschaftlichen Akteur:innen kaum gerecht werden. Mehr unabhängige Beobachter:innen denn je besuchten die diesjährige Klimakonferenz. Nichtsdestotrotz fanden wesentliche Verandlungen hinter verschlossenen Türen statt. Foto: Philipp Wagner

In den vielen, gleichzeitig stattfindenden Veranstaltungen herrschten jedoch viel „positive vibes“: Die New York Times schilderte, dass die Organisator:innen alles dafür taten, um Optimismus und Hoffnung im Klimaschutz als Leitmotive dieser Konferenz durchzusetzen. Wie COP-Präsident al-Jaber in einem Treffen mit Beobachter:innen sagte, habe er keine Lust mehr auf Alarmismus und das pessimistische Narrativ der Klimakrise. Alles was wir benötigten seien mehr Ingenieur:innen, die durch grünen Wasserstoff, Meerwasserentsalzung, Kernenergie und CO2-Abscheidung unsere Probleme wegzaubern – unterstrichen wurde dies von Klaviermusik und grünen Lichtinstallationen vor den Veranstaltungshallen, die scheinbar für Beruhigung sorgen sollten.

Die COP der Business Deals: Sogar Ölunternehmen sind am Start

Neben ihrem eigentlichen Kern, dem internationalen Klimaschutz, war die COP Verhandlungsort für zahlreiche Geschäfte. Rein geografisch bemerkenswert: Die Green Zone, in der Unternehmen ihre Stände hatten, lag sehr nah an der Blue Zone, in der die eigentlichen Verhandlungen stattfanden. Dementsprechend konnten politische Entscheider:innen bequem zwischen ihren Länderpavillons und den Messehallen hin- und herpendeln, in denen transnationale Unternehmen ihre technologischen Lösungen für ein gesellschaftliches Problem vermarkteten. Politik und Lobby zusammenzubringen, war offensichtlich die Strategie seitens der Organisator:innen.

Analog zur politischen Ebene, wurde die COP als Plattform für große Ankündigungen neuer Investitionen und Geschäftsbeziehungen genutzt. So machte das staatliche emiratische Unternehmen Masdar über verschiedene Tage hinweg bekannt, dass es in Ländern wie Jordanien, Kasachstan, Angola und dem Vereinigten Königreich neue Projekte zur Energiewende fördern werde.

Neben Firmen im Bereich erneuerbarer Energien wie Siemens und Octopus Energy, die beide zu den Hauptsponsor:innen der COP gehören, konnten in der Green Zone auch Ölunternehmen Stände betreiben und ihr Netzwerk pflegen. Bereits vor der Konferenz hatte der Guardian auf das Risiko verwiesen, dass die COP auch für neue Öl- und Gasdeals genutzt werden könnte. In der Tat konnten sich die Mitgliedsstaaten der OPEC (Organisation erdölexportierender Länder) in der finalen Abschlusserklärung durchsetzen und bewirken, dass fossile Energieträger erst langfristig – wenn überhaupt – reduziert werden sollen.

Erdgas wurde als Übergangstechnologie angepriesen, obwohl die Verbrennung von Gas für die Stromproduktion kaum mit dem 1,5 Grad-Ziel des Pariser Abkommens vereinbar ist. Dementsprechend waren Öl- und Gasunternehmen nicht nur in der Green Zone erfolgreich: Weil weiterhin kein entschiedener globaler Konsens gegen fossile Energieträger besteht, bleibt ihnen in den kommenden Jahren viel Zeit und Raum für neue Deals.

Die COP von unten: Freiräume müssen erkämpft werden

Neben offiziellen Länderdelegationen und Unternehmen nahmen trotz allem verschiedene soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche Gruppen an der COP teil. Mit mehr als 14.000 Delegierten von Nichtregierungsorganisationen war die Anzahl an Repräsentant:innen nichtstaatlicher Organisationen so hoch wie noch nie. Durch strenge Strafgesetze in Dubai, die sich unter anderem gegen LGBTQI-Gruppen und andere Minderheiten richten, fühlten sich jedoch einige Teilnehmer:innen im Vorfeld ausgegrenzt und eingeschüchtert.

Human Rights Watch warnte vor engmaschiger digitaler Überwachung der COP-Besucher:innen, vor dem Hintergrund, dass Kritik an der Regierung der VAE unter Strafe steht. Die Restriktionen wurden teilweise rigoros umgesetzt: Als die 12-jährige Aktivistin Licypriya Kangujam eine Plenarrunde mit einem Banner gegen fossile Energieträger unterbrach, wurde sie umgehend von der COP ausgeschlossen.Trotz Auflagen konnten Aktivist:innen am Rande der COP28 eine Demonstration in Solidarität mit Palästina organisieren. Statt Flagge waren aber nur Melonen zugelassen. Foto: Philipp WagnerTrotz allem erkämpften sich bei der COP28 Aktivist:innen in verschiedenen Pavillons Freiräume, in denen (relativ) ungestört über marginalisierte Perspektiven gesprochen werden konnte, die dem Narrativ vom „grünen Wachstum“ kritisch gegenüberstehen. Darunter fanden sich indigene Gemeinschaften, Jugendorganisationen sowie feministische Gruppen. Ungeachtet zahlreicher Auflagen konnte eine Demonstration für eine Waffenruhe in Gaza organisiert werden – die mehr als 100 Teilnehmer:innen durften aufgrund von UN-Auflagen statt Palästina-Flaggen nur das Symbol der Melone verwenden.

Die Abschlusserklärung zeigt, dass wie versprochen Kompromisse zwischen den Interessen verschiedener Staaten und Industrien gefunden wurden. Das Fazit ist aber auch: Effektiver Klimaschutz wird dadurch verwässert. Genau deshalb ist eine weitere Politisierung der Klimaschutzbewegung so wichtig, damit Wissenschaftlicher:innen und direkt von Klimafolgen betroffene Gruppen in den Prozess inkludiert und ihre Aussagen gehört werden. Nur dann wird die Dringlichkeit der Thematik klar und es besteht eine Chance, dass die zahlreichen Versprechen umgesetzt werden. Ob Aserbaidschan als Gastgeberland 2024 diese Politisierung vorantreiben wird ist fraglich. Auch dort hängt der nationale Haushalt vom Export fossiler Energieträger ab.

 

 

 

Philipp arbeitet zurzeit als Doktorand am Arnold-Bergstraesser-Institut Freiburg. In seiner Forschung befasst er sich insbesondere mit den Beziehungen zwischen Tunesien und der Europäischen Union im Bereich erneuerbarer Energien, mit einem Fokus auf selektiven Verbindungen und Formen von Depolitisierung. Zu Philipps Interessen zählen politische...
Redigiert von Clara Taxis, Jana Treffler