04.12.2014
Das Patt von Wien – Welche Perspektive bleibt für die zukünftigen Nuklearverhandlungen mit Iran?
Die Gespräche gehen weiter - US-Außenminister John F. Kerry und sein iranischer Amtskollege Mohamed Javad Zarif bei Verhandlungen über das iranische Atomprogramm. Foto: US Department of State.
Die Gespräche gehen weiter - US-Außenminister John F. Kerry und sein iranischer Amtskollege Mohamed Javad Zarif bei Verhandlungen über das iranische Atomprogramm. Foto: US Department of State.

Die letzte Runde in den Nuklearverhandlungen zwischen den P5+1 und Iran in Wien hat lediglich zu einer erneuten Verlängerung der Genfer Zwischenvereinbarung bis Juli 2015 geführt. Der allseitig betonte Optimismus der Verhandlungspartner kann nicht darüber hinweg täuschen, dass die Zweifel an einem positiven Ausgang zuzunehmen scheinen. Von Christian Ebert

Die Verhandlungen um das iranische Nuklearprogramm hatten nach der Zwischenvereinbarung vom November 2013 zuletzt stagniert, und die Gesprächsrunde in Wien war zwar intensiv, bleibt jedoch ebenso ohne ein tragfähiges Ergebnis. Die Verhandlungspartner einigten sich lediglich auf eine Verlängerung der Gespräche bis Juli 2015, im März soll spätestens ein politischer Rahmenvertrag vorliegen, bis Juli die technischen Details vollständig geklärt sein.

Die Meinungen in den internationalen Medien darüber, wie die anscheinende Pattsituation zwischen Iran und den P5+1 (die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates und Deutschland) aufgelöst werden könnte, gehen dabei weit auseinander. Einige beginnen schon, verbal Nägel in den Sarg des bisher nicht zustande gekommenen Vertragwerks zu schlagen. Selbst über mögliche Angriffe der israelischen Luftwaffe auf iranische Atomanlagen wird mittlerweile wieder eifrig spekuliert. Andere betonen, dass sowohl die US-amerikanische als auch die iranische Seite, zumindest die Verhandlungsführer, den Nutzen einer Einigung für die jeweiligen nationalen Interessen klar sehen. Auch bei beiden Präsidenten scheint die Haltung dazu klar.

Es sind eher die konservativen und radikalen Kräfte auf beiden Seiten, die einer möglichen Einigung kritisch oder gar ablehnend gegenüber stehen. Zur ersten Gruppe gehört sicherlich auch der iranische Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei. Dieser kritisierte am 27. November in einer Rede die Verhandlungsweise der US-Amerikaner und erklärte, für die P5+1 hätten die Verhandlungen vor allem das Ziel, den technologischen Fortschritt Irans aufzuhalten. Der Revolutionsführer betonte sein Misstrauen gegenüber den Absichten der USA, sprach sich aber dennoch für die Fortführung der Gespräche aus. Damit stärkte er der Regierung erneut den Rücken, während einige Hardliner öffentlich den Sinn und Zweck der Verhandlungen mit dem „großen Satan“ USA in Zweifel ziehen und ein Ende der Gespräche fordern.

Die Verlängerung bringt ein Dilemma mit sich

Die Äußerungen des Revolutionsführers verdeutlichen das gefährliche Dilemma für den zukünftigen Verlauf der Verhandlungsgespräche: Zum einen ermöglicht die erneute Verlängerung zwar, weiter Vertrauen zwischen den Verhandlungspartnern aufzubauen, ein Schritt, der aufgrund des immer noch tief sitzenden beiderseitigen Misstrauens für eine erfolgreiche Einigung notwendig erscheint. Auf der anderen Seite bieten die nun anstehenden Monate den Gegnern der Gespräche ausreichend Zeit und Raum, um weiter Sand ins Getriebe der Verhandlungen zu streuen, was die Erfolgsaussichten für die Gespräche sicherlich weiter schmälert.

Die Frage stellt sich auch, welche Seite von der Verlängerung mehr profitiert. Dabei gilt genau wie vor einem Jahr: Hätten beide Seiten in der Vereinbarung ihre unmittelbaren Interessen gefährdet gesehen, wäre sie aller Wahrscheinlichkeit nicht zustande gekommen.Aus Sicht der P5+1 bedeutet die Verlängerung der Gespräche, dass der Ausbau der nuklearen Infrastruktur Irans weiterhin eingefroren bleibt, Iran hingegen kann sich über die Auszahlung weiterer 700 Millionen US-Dollar pro Monat von bisher eingefrorenen Vermögenswerten bis zum Juli 2015, also insgesamt knapp 5 Milliarden US-Dollar, freuen. Gleichzeitig dürfen die Iraner ihre Forschungsvorhaben zur Nukleartechnologie weiterführen. Dabei testete Iran zuletzt bereits eine neue Generation von Anreicherungszentrifugen. Dies sollte auf iranischer Seite die Fortführung der Gespräche bis zum besagten Datum sicherstellen.

Die derzeitige Position der Iraner gleicht im Übrigen dem früheren Ansatz Präsident Hassan Rouhanis während seiner Zeit als Verhandlungsführer des iranischen Nuklearprogramms: Vorübergehende Zugeständnisse bezüglich des Ausbaus nuklearer Infrastruktur bei gleichzeitiger Durchsetzung des Rechts auf Fortführung indigener Forschung zur Kernenergie.Diese Strategie folgt der simplen Logik, dass die nukleare Infrastruktur zu den jeweiligen Rahmenbedingungen jederzeit weiter ausgebaut oder wieder zurückgefahren werden kann; selbst erworbenes technologisches Wissen jedoch lässt sich nicht einfach wieder abgeben und vergessen, es bleibt auch zukünftig jederzeit abrufbar.

Bietet Russland den Schlüssel für die Lösung des Konflikts?

Trotz der optimistischen Äußerungen über „wichtige Fortschritte“ und neue Ideen, die in Wien beleuchtet worden seien: Sowohl Befürworter als auch Gegner von Verhandlungen mit der Islamischen Republik sind berechtigterweise skeptisch bei der Frage, wie die derzeitigen öffentlichen Positionen der USA und Irans in Bezug auf die Urananreicherungskapazität jemals zu einem tragfähigen Kompromiss führen sollen. Um die Forderung der USA nach einer break-out time (Dauer, bis ausreichend Uran für eine Atombombe angereichert ist) von einem Jahr gewährleisten zu können, müsste das iranische Nuklearprogramm nach Ansicht einiger Experten noch weiter eingedämpft werden.

Ayatollah Khamenei erklärte dagegen vor einigen Monaten, man benötige eine zehnfache Erhöhung der Zentrifugenanzahl von derzeit 19.000 auf 190.000 um den zukünftigen Bedarf an angereichertem Uran für neugeplante Atomkraftwerke selbst decken zu können. Auch iranische Diplomaten betonten, dass die Reduktion der bisherigen Zentrifugen eine rote Linie in den Verhandlungen sei.

Ein angeblich während der Verhandlungsrunde Anfang November in Oman vorgebrachter Lösungsvorschlag sah vor, dass Iran sein angereichertes Uran zur Umwandlung in Brennstäbe nach Russland verschifft. Eine erneute Umwandlung des Urans in nuklearwaffenfähiges Material würde damit enorm erschwert. Durch die Auslagerung des Urans würde Iran seine Lagerkapazität verringern und könnte damit die Anzahl seiner Zentrifugen fortan sogar erhöhen. Der Vorschlag wurde zwar von offiziellen iranischen Stellen dementiert, dennoch lässt sich nicht ausschließen, dass Russland für die Lösung dieser Frage in Zukunft eine wichtige Rolle zukommen wird. Denn Russland und Iran haben sich zeitlich parallel zu den Atomgesprächen in Oman darauf geeinigt, dass Russlands staatliche Kernenergiebehörde in den nächsten Jahren weitere Atomreaktoren in Iran bauen wird. Russland hat sogar eingewilligt, für die neuen Reaktoren die notwendigen Brennstäbe dauerhaft zu liefern.

Die anderen bisher ungelösten Streitpunkte sind die Laufzeit des möglichen Vertrages sowie die Art und Weise der damit verbundenen Sanktionsaufhebungen. Unbestreitbar ist, dass beide Parteien während der letzten Monate auf ihren Maximalforderungen bezüglich dieser drei Punkte zu bestehen schienen. Angesichts dieser Beharrlichkeit entstand zumindest zeitweise der Eindruck, dass die Verhandlungsführer auf beiden Seiten in Bezug auf die tatsächliche Kompromissbereitschaft der Skeptiker zu Hause in Washington und Teheran nur geblufft haben und sich damit letztlich zu verzocken drohten.

Kerrys Lob für Zarif

Dass US-Außenminister John Kerry und sein iranischer Amtskollege Mohammed Javad Zarif nach Aussage der New York Times aber eine gut funktionierende Arbeitsbeziehung entwickelt haben, ist positiv zu sehen. Nach der Einschätzung einiger Beobachter wäre eine Einigung längst erzielt worden, wenn Kerry und Zarif die Entscheidungsgewalt selbst innegehabt hätten. Kerry lobte Zarif sogar und unterstrich, dass der iranische Außenminister unablässig gearbeitet habe und in die Verhandlungen mit ehrlichen Absichten gekommen wäre.

Diese Äußerung sollte jedoch auch nicht überbewertet werden. Dass Kerry mit seinem Lob für Zarif Kritikern an den Atomgesprächen, die Iran eine Mauer- und Hinhaltetaktik vorwerfen, vorgreifen wollte, ist einleuchtend.Dabei ist nicht zu leugnen, dass beide Herren sicherlich Mühe hatten, ihrem heimischen Publikum die Sinnhaftigkeit einer Verlängerung der Gespräche bis Juli 2015 trotz fehlender greifbarer Ergebnisse in den Verhandlungen nachvollziehbar zu machen. Manche Beobachter bezeichnen die Aussagen Kerrys über „bedeutende Fortschritte“, die gemacht worden seien, schon als Phrasendrescherei.

Was genau in den Verhandlungen besprochen wurde, welche „Fortschritte“ tatsächlich gemacht wurden – echte Antworten auf diese Fragen gibt es leider nicht. Bis auf wenige Details ist der Inhalt der Vertragsgespräche geheim.

Mit einem von Republikanern dominierten Kongress und Senat ab Januar 2015 wird der Spielraum aufgrund des steigenden heimischen Drucks für die US-amerikanische Seite mit Sicherheit enger werden. Auch die radikaleren Kräfte in Teheran werden an ihrer Kritik am iranischen Präsidenten Rouhani und seinem Außenminister Zarif nicht sparen. Ein mögliches Scheitern der außenpolitisch moderaten Regierung in der Nuklearfrage könnte den Falken in Teheran mit Blick auf die iranischen Parlamentswahlen 2016 und die Präsidentschaftswahlen in 2017 in die Karten spielen.

Eine erneute Verlängerung nach dem Juli bis zum November 2015 ist zum jetzigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich. Bis zum März 2015 soll das politische Rahmenwerk eines endgültigen Vertrages bereits stehen, sollte dieser Zeitpunkt wieder ohne eine greifbare Entwicklung verstreichen, könnte die Diplomatie tatsächlich scheitern.

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