07.12.2016
Demo in Berlin gegen den "Vernichtungskrieg" in Aleppo: Zeichen setzen
Deutlich mehr Menschen als erwartet demonstrierten am Mittwoch vor der russischen Botschaft in Berlin. Foto: Daniel Walter
Deutlich mehr Menschen als erwartet demonstrierten am Mittwoch vor der russischen Botschaft in Berlin. Foto: Daniel Walter

Hunderte waren am Mittwoch in Berlin einem Aufruf von Intellektuellen gefolgt und protestierten vor der russischen Botschaft gegen das Bombardement Aleppos. Währenddessen ging in Syrien das Bomben weiter.

Erst vergangenen Montag scheiterte wieder eine Resolution im UN-Sicherheitsrat, die den Krieg in Syrien zum Thema hatte. Der von Spanien, Ägypten und Neuseeland eingebrachte Vorschlag forderte einen einwöchigen Waffenstillstand für das unter massivem Bombardement und Artilleriefeuer leidende Aleppo. Doch schon zum sechsten Mal seit Kriegsbeginn legte Russland, diesmal an der Seite Chinas, sein Veto ein.

Hunderte Menschen, darunter viele syrische Geflüchtete, wollten daher am Mittwoch in Berlin ein Zeichen setzen gegen den Vernichtungskrieg der syrischen und russischen Streitkräfte und ihrer Verbündeter. Sie wollten ein Zeichen setzen gegen das Schweigen weiter Teile der Zivilgesellschaft. „Schluss mit dem Massenmord in Aleppo!“ war ihr Motto. Laut Polizeiangaben versammelten sich rund 300 DemonstrantInnen vor der russischen Botschaft. Sie waren einem Aufruf von rund 250 Intellektuellen aus über 60 Ländern gefolgt, der dazu aufrief, die Empörung über den Vernichtungskrieg – denn mit nichts anderem hat Machthaber Baschar al-Assad den Menschen in Ost-Aleppo gedroht, und nichts anderes passiert – vor die russischen Botschaften in Europa zu tragen. Zu den UnterzeicherInnen des Aufrufs zählten unter anderem die Literaturnobelpreisträgerinnen Herta Müller und Elfriede Jelinek, der Schriftsteller Boualem Sansal, die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot sowie der Regisseur Volker Schlöndorff.

Wir dürfen die Menschen in Aleppo und Syrien nicht vergessen 

Auf den Transparenten der DemonstrantInnen waren Sprüche zu lesen wie „Russland: Beschuss in Syrien beenden!“ oder „Putins Waffen, Putins Geld morden mit in aller Welt“. In Sprechchören machten sie jedoch auch andere Verbündete des syrischen Regimes, zum Beispiel Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah, für die vielen zivilen Opfer in Syrien mitverantwortlich. Der russlandkritischen Demonstration stellten sich circa zehn GegendemonstrantInnen entgegen und spielten die russische Nationalhymne, kleine Teile beider Gruppen lieferten sich teils hitzige Wortgefechte miteinander. Ansonsten verlief die Kundgebung friedlich, auch wenn die Polizei mit mehreren Einsatzwagen vor Ort war.

Währenddessen teilten die Nachrichtenagenturen mit, das syrische Regime habe nach tagelangen Bombardements und Bodengefechten die gesamte Altstadt Aleppos unter seine Kontrolle gebracht. Es ist schwer vorstellbar, was mit den überlebenden Zivilisten passieren soll, die der syrischen Armee in die Hände fallen werden, sind erst einmal alle Gebiete der Stadt unter Kontrolle. Ost-Aleppo verfügt schon seit Wochen über kein einziges Krankenhaus mehr, die Bilder aus der Stadt zeigen eine einzige Trümmerwüste. Es waren gerade die Wut und die Trauer der syrischen DemonstrantInnen, die auch am Mittwoch wieder vor Augen führten: Die Menschen im Bombenhagel von Aleppo und in ganz Syrien dürfen nicht vergessen werden. Und dagegen setzten die DemonstrantInnen ein Zeichen.  

 

Lesen Sie auch bei Alsharq die Analyse von Bente Scheller: "Macht durch Mythos: Wie IS und Assad von Stereotypen profitieren".

Daniel ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF). Er interessiert sich für internationale und Globalgeschichte, Dekolonisierung und Ideengeschichte mit einem Schwerpunkt auf Iran. Er ist seit 2015 bei dis:orient aktiv, dabei von 2016 bis 2020 im Vorstand. Für Alsharq REISE ...