Nach mehrtägigen Verhandlungen in Qatar haben sich libanesische Regierung und Opposition auf ein Abkommen geeinigt, das den seit 19 Monaten schwelenden Machtkampf beilegen soll. Im Kern einigen sich beide Konfliktparteien auf folgende Punkte:
- Wahl des Armee-Chefs Michel Suleiman zum neuen Staatspräsidenten am kommenden Sonntag
- Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit mit 30 Ministern; 16 Minister werden von der Regierung nominiert, 3 von Präsident Suleiman, 11 stellt die bisherige Opposition
- Einführung eines neuen Wahlrechts, das auf dem Wahlgesetz von 1960 fußt und zu kleineren Wahlkreisen führt
- die Waffen der Hizbollah bleiben unangetastet, es wird jedoch keiner libanesischen Gruppe gestattet, ihre Waffen in innner-libanesischen Konflikten einzusetzen
Durch das Abkommen von Doha werden wesentliche Forderungen der Opposition erfüllt. Die Forderung nach einem Drittel der Kabinettsposten wurde seit dem Rückzug der schiitischen Minister aus der Regierung im November 2006 erhoben. Nach Großdemonstrationen, der Errichtung einer Zeltstadt im Zentrum Beiruts, der weitgehenden politischen und wirtschaftlichen Lähmung des Landes und schließlich der Einnahme West-Beiruts haben die Hizbollah und ihre Juniorpartner dieses Ziel erreicht und können fortan jede Regierungsentscheidung blockieren.
Auch die Einführung eines neuen Wahlrechts war eine Kernforderung der Opposition, gegen die sich das Regierungsbündnis und auch das Oberhaupt der maronitischen Kirche im Libanon, Patriarch Nasrallah Sfeir, lange gesträubt hatten. Die mehrheitlich von Schiiten bewohnten Regionen im Südlibanon erhalten durch die Wahlrechtsreform größeres Gewicht. Das Regierungslager konnte bei den Verhandlungen in Doha offenbar dadurch zur Zustimmung bewegt werden, dass die Wahlkreise in Beirut so zugeschnitten werden, dass sich die sunnitische Mustaqbal-Bewegung von Saad Hariri einer Mehrheit der Mandate dort sicher sein kann.
Die seit dem 1. Dezember 2006 in Downtwon Beirut existierende Zeltstadt der Opposition wird zur Stunde abgebaut und soll bis Mitternacht verschwunden sein. Parlamentssprecher Nabih Berri bezeichnete diesen Schritt als ein "Geschenk der Opposition".
Wichtigstes Ergebnis des Doha-Abkommens ist, dass es den Libanesen, die den Machtkampf und die Spannungen in ihrem Land leid sind, eine Atempause verschafft. Entsprechend euphorisch klangen die Schlagzeilen der libanesischen Zeitungen heute. Die größte Zeitung des Landes "al-Nahar" titelte: "Wir gratulieren dem Libanon zu der Einigung", "al-Akhbar" schreibt gar von "einer neuen Seite", die im Libanon aufgeschlagen werde.
Dies soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es vollkommen ungewiss ist, ob die Einigung zwischen den rivalisierenden Gruppen von Dauer sein wird. Streitthema ist etwa der Umgang der neuen Regierung mit dem UN-Tribunal, das den Mord an Rafiq Hariri aufklären soll. Für Hariris Mustaqbal-Bewegung hat das Tribunal höchste Priorität; die Hizbollah steht dem ablehnend gegenüber, da sie in dem Verfahren nur ein Mittel sieht, das Syrien diskreditieren und den Vorwand für einen neuen Krieg im Nahen Osten liefern soll.
Ebenso strittig bleibt die Umsetzung der UN-Resolution 1559, die die Entwaffnung der Hizbollah fordert. Werden die Parteien des bisherigen Regierungsbündnisses diese Forderung aufrecht erhalten, droht neuer Streit.
Auf einem anderen Blatt steht, wie die derzeit teilweise erbittert verfeindeten Gruppen, deren Anhänger sich noch vor einer Woche gegenseitig beschossen und massakrierten künftig in einer Regierung vertrauensvoll zusammenarbeiten sollen. Es wäre schon ein großer Erfolg, wenn die neue Regierung der Nationalen Einheit bis zu den Parlamentswahlen 2009 halten würde.