06.08.2010
Der Fall Firas Maraghy – Hungerstreik für das Recht auf Rückkehr

Seit elf Tagen sitzt Firas Maraghy auf einem Campingstuhl unter einer Buche in der Berliner Auguste-Viktoria-Straße, schräg gegenüber der streng bewachten israelischen Botschaft. Der 38-Jährige befindet sich im Hungerstreik. Seit dem 26. Juli hat Firas keine Nahrung mehr zu sich genommen, nur ab und zu gönnt er sich einen Schluck Wasser und eine Zigarette. Der Palästinenser kämpft gegen die israelischen Behörden.

Firas wurde 1971 in Silwan, einem Viertel des vier Jahre zuvor von Israel annektierten Ostjerusalem geboren. Seine Familie lebt seit Generationen dort. Er ist staatenloser Palästinenser, besitzt weder einen israelischen noch einen palästinensischen Pass. Nur ein so genanntes Laissez Passer – Dokument ermöglicht es ihm zu verreisen. Firas ist seit 2007 mit einer deutschen Frau verheiratet, seither lebt er in Deutschland, im Dezember 2009 wurde hier die gemeinsame Tochter geboren.

Im Mai letzten Jahres reiste er nach Jerusalem um seine Papiere zu erneuern und seine Ehe eintragen zu lassen. Die israelischen Behörden teilten Firas mit, er habe jegliche Rechte als Einwohner Ostjerusalems verloren. Dies ist jedoch selbst nach israelischen Gesetzen nicht rechtens, da diese lediglich vorsehen, dass nicht-jüdische Einwohner Ostjerusalems nach sieben Jahren Abwesenheit ihr Wohnrecht verlieren. Firas war jedoch nur eineinhalb Jahre lang im Ausland und kommt weiterhin allen Pflichten nach – selbst seine Krankenversicherung in Jerusalem zahlt er pünktlich. „Nur mein Reisedokument wurde 2009 von den Israelis verlängert, vermutlich in der Hoffnung, ich werde nie wieder zurückkehren“, erzählt Firas.

Nach der Geburt der gemeinsamen Tochter versuchten Firas und seine Frau Wiebke bei der israelischen Botschaft in Berlin, für ihr Kind ein israelisches Reisedokument zu bekommen. Damit würde sie das Recht bekommen in Jerusalem zu leben, wenn sie das wünscht. „Bekommt sie dieses Reisedokument nicht, kann es jederzeit passieren, dass israelische Grenzbeamte ihr am Flughafen die Einreise verwehren oder sie von dort ausgewiesen wird. Davor könnte sie auch ein deutscher Pass keinesfalls schützen“, erklärt Wiebke. Wäre Firas ein Jude, würde er die Erlaubnis binnen weniger Stunden erhalten.

Die israelische Botschaft in Berlin stellt sich bislang quer. Unzählige Formulare wurden ausgefüllt, ein Briefwechsel mit dem Botschafter blieb jedoch genauso erfolglos wie Schreiben an das Bundeskanzleramt, das Auswärtige Amt und Abgeordnete aller Bundestagsfraktionen. Am zweiten Tag des Hungerstreiks lud der stellvertretende Botschafter zusammen mit zwei Konsularbeamten zu Kaffee und Kuchen. „Sie waren sehr freundlich, haben mich aber nur vertröstet und die Verantwortung auf andere israelische Behörden abgewälzt“, berichtet Firas. Kaffee und Kuchen rührte er nicht an. Einen Tag später besuchte ihn Botschafter Yoram Ben-Zeev an seinem Streikposten, knapp 50 Meter vom Eingang zur Botschaft entfernt. Doch auch der Diplomat hatte kein annehmbares Angebot mitgebracht.

Die Israelis fordern das Paar auf, einen deutschen Pass für seine Tochter zu beantragen. Mit diesem sollten sie dann versuchen, eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung für Ostjerusalem zu erhalten. Wiebke ist skeptisch: „Selbst wenn man einen Anwalt einschaltet, dauert das ewig und auch dann gibt es keine Garantie, dass wir eine Genehmigung erhalten.“

Unabhängig davon haben die Jerusalemer Behörden Firas vor die Wahl gestellt: Wohnrecht in Jerusalem oder Familie. Man habe ihm mitgeteilt, er müsse entweder bis Mai 2011 seine Familie verlassen, nach Jerusalem zurückkehren und dort für zwei Jahre leben, oder er verliere seine Rechte. Und Firas ist fest entschlossen für diese Rechte zu kämpfen: Er beruft sich auf Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der besagt:

1.Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen.
2.Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.

Wiebke unterstützt ihren Mann voll und ganz, gibt aber zu, dass sie sich Sorgen um seine Gesundheit macht. „Aber letztendlich haben wir keine andere Wahl. Das Ordnungsamt verbietet das Aufstellen einer Toilette und somit bleibt ihm gar nichts anderes übrig als keine Nahrung zu sich zu nehmen.“ Firas jedenfalls ist entschlossen seinen Hungerstreik bis zu einem erfolgreichen Ende fortzusetzen: „Ich gehe nicht ohne die Genehmigung für mich und meine Tochter für ein Leben in Jerusalem.“