15.10.2011
Der "iranische Terrorplot" in der arabischen Presse: "Man riecht den Krieg"

In der vergangenen Woche machten der amerikanische Justizminister Eric Holder und das FBI Details eines angeblich vom Iran geplanten Attentats auf Adel al-Jubeir, den saudischen Botschafter in den USA, öffentlich. Mansour Arbabsiar, ein mittlerweile inhaftierter Iraner mit amerikanischem Pass, habe gemeinsam mit Gholam Shakuri, einem Mitglied der iranischen Quds-Brigaden, den Anschlag geplant und dafür die Unterstützung eines mexikanischen Drogenkartells gesucht, so die Anklage. "Teile der iranischen Regierung" seien an der Planung beteiligt gewesen.

Mittlerweile häufen sich auch in der amerikanischen Presse kritische Stimmen, die Zweifel an der Stichhaltigkeit der Vorwürfe anmelden. Zu dilletantisch erscheint ihnen das Vorgehen der angeblichen Verschwörer.

Auch in den arabischen Zeitungen wird die Darstellung der amerikanischen Strafverfolgungsbehörden infrage gestellt. Kritiker sehen in der Anklage den Vorwand für einen bevorstehenden Krieg gegen das Regime in Teheran. Die saudische Presse hingegen tobt vor Wut auf die Iraner und will die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.

"Wir wissen, dass der Iran nicht die Schweiz ist. Aber ganz sicher sind die Vereinigten Staaten von Amerika auch nicht die Mutter Theresa." Mit dieser Gegenüberstellung leitet Abdel Bari Atwan seinen Kommentar in der in London erscheinenden al-Quds al-Arabi ein.

Atwan, einer der profiliertesten Kritiker der amerikanischen Nahostpolitik in der arabischen Presselandschaft, betont, dass er den Iran nicht von der Planung der Attentate verfreisprechen möchte. Zur gleichen Zeit erinnert er aber seine Leser an die angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak sowie die Behauptungen der Bush-Administration, das Regime von Saddam Hussein hätte Kontakte zu Al-Qaida und zudem versucht, im Niger Uran zu erwerben. Beschuldigungen die sich später als falsch erwiesen haben.

"Man riecht den Krieg, beziehungsweise Vorbereitungen für einen Krieg in einer der entzündlichsten Regionen der Welt," schlussfolgert Abdel Bari Atwan. Er setzt den Anschlagsplan von Washington in die größeren strategischen Zusammenhänge der Region. So zum Beispiel die Angst des saudischen Königreichs vor den militärischen Fähigkeiten des Iran, sowie vor einem Aufstand in seinen mehrheitlich schiitischen Ostprovinzen. Den Natoeinsatz in Libyen sieht Atwan als einen Generalprobe für einen möglichen Angriff auf Teheran.

Nach seiner Meinung habe "die Operation 'Verteufelung des Iran' durch die USA hat schon vor Jahren begonnen". Der Kommentator spekuliert über mögliche US-Pläne, den Iran gemeinsam mit den arabischen Golfstaaten anzugreifen. Israel könnte dabei gänzlich außen vor bleiben, um die Golfstaaten nicht in Verlegenheit zu bringen.

"Wir stellen nur Fragen und haben keine schlüssigen Antworten. Aber es ist sicher, dass die Golfregion die Bühne für einen von zwei möglichen Kriegen werden wird. Einen Kalten oder einen Heißen ... "

Eine andere Perspektive auf den Vorfall lässt Haifa Zuaiter in der libanesischen Zeitung al-Safir erkennen. "Es gibt keinen neuen iranischen-saudischen Konflikt und er entbrennt nicht seitdem die Welle des Arabischen Frühlings Bahrain erreicht hat. Obwohl sich einige diese Illusion herbeiwünschen und einige westliche Zeitungen versuchen, sie zu verbreiten ..."

Haifa Zuaiter schreibt vielmehr von einem Kalten Krieg zwischen beiden Staaten der schon seit der Islamischen Revolution im Iran, 1979 andauert. Sie bezieht sich in ihrem Artikel hauptsächlich auf amerikanische Analysten und bilanziert, dass Saudi-Arabien der wirtschaftliche Sieger des Jahrzehnte langen Konfliktes ist.

"Riad nutzt seit langem seinen Einfluss auf den Ölmärkten um Teheran zu zähmen. Durch eine Senkung des Ölpreises verhindert es mögliche ausländische Investitionen in die iranische Öl- und Gasindustrie und lähmt so die ohnehin angeschlagene iranische Wirtschaft."

"An der politischen Front hat Teheran jedoch gewonnen und Riad ist der Verlierer". führt Haifa Zuaiter weiter aus. Inbesondere im Irak habe sich das Blatt gewendet, wo durch die amerikanische Invasion ein Feind des Irans in einen guten Freund von Teheran verwandelt wurde.

Der syrische Kommentator wittert eine Verschwörung "internationaler Zionisten"

Bassam Radwan tut die von den USA veröffentlichten Vorwürfe in Richtung Iran in seinem Kommentar für die staatliche syrische Zeitung Tishreen gänzlich als Propaganda ab. Es sei Ziel der Amerikaner, ihre Verbündeten in einer "kritischen und sensiblen Phase für die gesamte Region" gegen den Iran zu mobilisieren.

Die US-Regierung und die "internationalen Zionisten" wollten "die öffentliche Aufmerksamkeit von der wachsenden Protestbewegung der Armen in der Wall Street und anderen amerikanischen Städten ablenken sowie - was am Gefährlichsten ist – Zwietracht zu säen und die muslimische Welt spalten."

Diese Pläne würden von einigen arabischen Verantwortlichen unterstützt, die die absurden Beschuldigungen ohne Nachdenken und ohne Zweifel am Wahrheitsgehalt der Vorwürfe wiederholten, ereifert sich Radwan.

Der Iran müsse endlich internationales Recht respektieren, fordert hingegen die saudische Zeitung al-Watan in ihrem Leitartikel vom Freitag. Es sei das Recht Saudi-Arabiens, die Verantwortlichen dieser "schmutzigen Verschwörung" hart zu bestrafen und die internationale Gemeinschaft "gegen diese Art des Terrorismus zu moblisieren, die alle roten Linien überschreitet."

Das Blatt fordert weiter: "Der Iran muss in vollem Umfang mit den internationalen Ermittlern in diesem Fall kooperieren und die Verantwortlichen müssen sich vor der internationalen Justiz verantworten anstatt einfach die Anklage zu bestreiten und andere der Verschwörung zu beschuldigen".

Al-Watan sieht die Anschlagspläne als Teil einer seit langem aktiven iranischen Politik, die darauf abziele die "Flammen des Konfessionalismus" in der Region zu befeuern. Dies habe sich nicht nur bei den "Ereignissen in Bahrain" gezeigt, sondern auch beim Versuch, konfessionelle Gewalt in Saudi-Arabien zu schüren. "Der Iran hat die Geduld und Ruhe ausgenutzt, die für die saudische Außenpolitik im Umgang mit regionalen und internationalen Themen chrakteristisch sind", schlussfolgert der Kommentator.

"Der Iran betreibt Staatsterrorismus"

Mit der Aufdeckung der Anschlagspläne müsse nun jeder verstanden haben, dass der Iran "der wahre Feind" sei, erklärt Tariq al-Homayed, Chefredakteur von Asharq al-Awsat, einer in London erscheinenden Tageszeitung, die im Besitz der saudischen Königsfamilie ist. "Der Iran ist davon abhängig geworden, Attentate als grundlegendes Werkzeug einzusetzen, um seine Feinde zu schwächen." Dies zeige sich nicht nur am Beispiel Saudi-Arabiens, sondern auch in Operationen der iranischen Quds-Brigaden im Libanon und im Irak.

Es gebe zudem Geheimdienstinformationen, die belegten, dass der Iran "Todesschwadrone" nach Syrien geschickt habe, um Oppositionelle und Sympathisanten der Revolution umzubringen. "Es braucht keinen weiteren Beweis dafür, dass der Iran Staatsterrorismus betreibt", ist al-Homayed überzeugt.

Nachdem der Arabische Frühling die Statik der wichtigsten arabischen Staaten wie ein Erdbeben erschüttert habe, bleibe Saudi-Arabien mit seinem wirtschaftlichen, politischen und religiösen Gewicht das einzige intakte Gebäude und bilde damit ein verwundbares Ziel für den Iran. Gleichzeitig drohe das iranische Regime mit dem syrischen Regime seinen wichtigsten arabischen Verbündeten zu verlieren.

"Irans Verlust des syrischen Regimes bedeutet, dass der Traum vom Revolutionsexport ausgeträumt ist, was im Umkehrschluss dazu führt, dass Teheran jetzt verpflichtet ist, Rechnungen zu begleichen, die lange überfällig sind. Irans Mullahs spürten das durch die schallende Ohrfeige, die sie sich von Saudi-Arabien in Bahrain eingefangen haben und die Teheran den Verstand verlieren ließ. Jetzt wird das iranische Regime keine Sekunde zögern, saudische Persönlichkeiten anzugreifen."

Noch deutlichere Worte findet Abdallah Sadiri, Kommentator der in Saudi-Arabiens Hauptstadt erscheinenden Zeitung al-Riyadh.

"Iran der Erste ... Israel der Zweite" titelt Sadiri, womit nicht weniger als die Rangfolge der Feindschaft dieser Länder zur arabischen Welt gemeint ist. "Iran griff in die inneren Angelegenheiten des Libanons ein. Israel hat das nicht getan. Das gleiche finden wir in den Vereinigten Arabischen Emiraten, im Besetzten Palästina und bei der Finanzierung der blutigen Auseinandersetzungen in Bahrain."

In einem wütenden Text polemisiert Sadiri gegen das Nachbarland auf der anderen Seite des Golfs. "Das Problem ist ein Volk mit begrenzter Bildung ... und Großmachts-Phantasien, das ohne Begründung nach Atomenergie strebt und Unruhe in seinen Nachbarstaaten stiftet. Das der Illusion einer Wiedererrichtung des persischen Reiches folgt, einem Reich, in dem die Präsenz des Islams längst verschwunden ist."