16.02.2017
Der Libanon baut weiter an der „Mauer der Schande“
Fünf Meter hoch ist die Mauer rund um Ein el Helweh. Mehr als die Hälfte ist schon fertig. Foto: Privat
Fünf Meter hoch ist die Mauer rund um Ein el Helweh. Mehr als die Hälfte ist schon fertig. Foto: Privat

Das größte Flüchtlingslager für Palästinenser im Libanon wird eingemauert: Fünf Meter hoch und aus Beton wird die „Wall of Shame“ um Ein el-Helweh. Die Bewohner fühlen sich als Opfer einer Kollektivstrafe und befürchten schwere psychische Schäden, berichtet Burhan Yassin.

Mit Beginn des neuen Jahres haben die libanesischen Behörden auch den Bau der Mauer um Ein El-Helweh fortgesetzt, mit schätzungsweise rund 100.000 Einwohnern das größte Palästinenserlager im Libanon. „Wall of Shame (Mauer der Schande)“, so nennen sie die meisten palästinensischen und libanesischen Aktivisten.

Berichten zufolge wird der Bau im Westen von Ein El-Helweh fortgesetzt, mit neun Meter hohen militärischen Überwachungstürmen aus Beton, zusätzlich zu der fünf Meter hohen Mauer.

Die palästinensische Menschenrechtsorganisation „Witness“ bemerkte: „Beobachter haben bestätigt, dass 60 Prozent der Mauer abgeschlossen sind. Die verbleibenden 40 Prozent betreffen eine Distanz von zwei Kilometern auf der Westseite des Camps. Bisher stehen dort drei Überwachungstürme.“

Der Bau wurde bereits einmal gestoppt

Der Bau wurde Ende Oktober 2016 begonnen, jedoch im Dezember ausgesetzt. Subhi Abu Arab, ein hoher Fatah-Sicherheitschef im Libanon, berichtet: „Alle Gruppen haben sich mit dem libanesischen Brigadegeneral getroffen und gemeinsam beschlossen, dass ein Baustopp die beste Entscheidung für den Schutz des Lagers ist. Wir alle haben zugestimmt.“

 

Zur Einigung kam es, nachdem Kritik und Proteste gegen diese Form der Apartheid laut wurden. „Der Bau von Zementmauern und Türmen wird die palästinensischen Flüchtlingslager zu wirklichen Gefängnissen machen und schwere psychische Schäden bei den Geflüchteten verursachen. Sie werden sich beschuldigt und kontrolliert fühlen – eine wirkliche Form der Diskriminierung“, sagt Hussam Miari, Koordinator des „Palestinian Youth Committee“.

„Sie werden anfangen Tunnel zu graben, wie in Gaza“, meint Mahmoud Alyousiph, ein 24-jähriger palästinensischer Aktivist und Fotograf. „Es ist so dumm, die Palästinenser in diesem andauernden Flüchtlingsstatus zu halten, anstatt sie auf all die arabischen Länder zu verteilen und dieses künstlich erschaffene Problem zu vergessen.“

Sara Mohammed, eine palästinensische Studentin, klagt: „Nur, weil ein paar Menschen Verbrechen verüben, haben sie uns alle bestraft.“

Immer wieder sterben Menschen bei Zusammenstößen

Ende Dezember hatte es im Camp Zusammenstöße gegeben zwischen islamistischen Aktivisten und Mitgliedern der Fatah. Sechs Menschen wurden getötet. Nachdem ein Waffenstillstand erreicht worden war, beschlossen die libanesischen Behörden aber, ab dem 1. Januar 2017 den Bau der Mauer fortzusetzen.

Dabei liegt weder eine offizielle Stellungnahme von der libanesischen Armee noch von der Regierung dazu vor. Aus diesem Grund hat „Witness“ eine öffentliche Erklärung abgegeben und ruft „die libanesischen Behörden dazu auf, die Mauer nicht fertig zu stellen, sie komplett zu entfernen und Alternativen zu suchen, die die Menschenrechte respektieren“. Außerdem wird dazu aufgerufen, mit den palästinensischen Parteien über humanitären Aspekte zu sprechen, insbesondere über das Recht auf Besitz und auf Arbeit.

Ein El Helweh wurde 1948 vom Internationalen Komitee des Roten Kreuz nahe der Stadt Sidon (ar: Saida) erbaut. UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees, Anm.d.R.), engagiert sich seit 1952 in dem Camp und ersetzte nach und nach die Zelte durch feste Unterkünfte.

Viele Geflüchtete aus anderen Lagern im Libanon, insbesondere aus der Nähe von Tripoli, wurden im Bürgerkrieg nach Ein El Helweh transferiert. So wurde das Lager zum größten im Libanon, sowohl was die Bewohnerzahl angeht als auch die Größe der Fläche. Zwischen 1982 und 1991 kam es dort zu besonders gewalttätigen Zusammenstößen, insbesondere zwischen israelischer Armee, schiitischen Milizen sowie palästinensischen Gruppierungen. mit einer hohen Anzahl an Todesopfern und der fast vollständigen Zerstörung des Camps.

Artikel von Burhan Yassin
Übersetzt von Laura Overmeyer