08.12.2009
Hungerstreik für Westsahara

Aminatou Haidar, prominente Menschenrechtsaktivistin aus Westsahara, befindet sich seit dem 14. November im Hungerstreik. Im Flughafen von Lanzarote (Kanarische Inseln) fordert sie die Rückkehr nach Westsahara nachdem sie von den marokkanischen Behörden ausgebürgert und ausgewiesen worden war. Der Zustand von Haidar, die die sahrawische Menschenrechtsbewegung CODESA leitet, wird von Ärzten als lebensbedrohlich eingestuft.

Haidar war im Oktober in den USA, um einen Menschenrechtspreis für ihr gewaltfreies Engagement für die Selbstbestimmung Westsaharas entgegenzunehmen. Als sie über Lanzarote zurück in ihre Heimat kam, wurde sie von den Sicherheitsbehörden festgehalten und zwölf Stunden lang verhört, denn sie hatte auf ihrer Einreisekarte als Wohnort Westsahara angegeben und den Bereich Nationalität unausgefüllt gelassen. Die marokkanischen Behörden nahmen das zum Anlass, Haidars Pass und Ausweis einzuziehen und sie formal auszubürgern. Gegen ihren Willen und wurde sie zurück nach Lanzarote geflogen. Die 42-jährige Mutter zweier Kinder gibt auch den spanischen Behörden Mitschuld an ihrer Lage, da sie ihre Wiedereinreise nach Spanien trotz fehlenden Passes genehmigt hatten. Spanien bot Haidar Asyl, später gar die Einbürgerung an, doch beides lehnt sie ab und beharrt auf ihre Rückkehr.

Haidar lenkt mit ihrer Aktion des Hungerstreiks die internationale Aufmerksamkeit wieder auf einen fast schon vergessenen Konflikt in Nord-West-Afrika. Westsahara ist ein Überbleibsel aus der europäischen Kolonialzeit. Erst 1975 gab die Kolonialmacht Spanien dem internationalen Druck und der militanten sahrawischen Widerstandsbewegung Polisario nach und verließ das Gebiet. Mit Verweis auf historische Herrschaftsgebiete und auf einen Beschluss der obersten Stammesführer Westsaharas teilten Marokko und Mauretanien das rohstoffreiche Land untereinander auf, wobei Marokko den Löwenanteil annektierte. Die Polisario führten ihrem Befreiungskampf daraufhin gegen die Marokkaner fort und erhielten dabei Unterstützung aus Algerien, wodurch sich die regionale Dimension des Konflikts ausweitete. Während Mauretanien seine Truppen sehr bald abzog und das Gebiet von der Polisario eingenommen wurde, intensivierten sich die Kampfhandlungen zwischen Marokko und der Polisario bis sich beide 1991 auf einen Waffenstillstand einigten. Ein vereinbartes Referendum über den Status Westsaharas wurde nie durchgeführt.

Ungeachtet zahlreicher UN-Resolutionen, die Marokko zum Ende der Besetzung auffordern, scheint keine Lösung des Konflikts in Sicht. Obwohl kein Staat der Erde Marokkos Anspruch auf das Gebiet Westsaharas anerkennt, üben weder die USA noch die EU Druck auf Marokko aus. Vielmehr wird das Land wegen scheinbarer Demokratisierungsprozesse als beispielhaft für die Region gelobt, ungeachtet eklatanter Menschenrechtsverletzungen, die Amnesty International Jahr für Jahr auflistet. Insbesondere in den annektierten Gebieten Westsaharas agiert das Regime als autokratischer Polizeistaat. Allerdings galt das Königreich schon zu Zeiten des Ost-West-Konflikts als treuer Verbündeter des Westens und wird heute als Partner im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus geschätzt. Umfangreiche Handelsabkommen sind ein weiterer Grund für die Zurückhaltung.

In Afrika dagegen steht Marokko recht isoliert da. Aus Protest darüber, dass die Afrikanische Union Westsahara 1984 als Mitglied aufnahm, ist Marokko seitdem als einziges afrikanisches Land nicht in dieser Organisation vertreten. Zum Nachbarstaat Algerien, wo die Polisario ihren Sitz hat und die sahrawischen Flüchtlingsgemeinschaft faktisch autonom kontrolliert, gibt es gar keine diplomatischen Beziehungen, geschweige denn ökonomische Kooperation.

Trotz aller negativen Begleiterscheinungen für Marokko hat die Herrschaftskontrolle über Westsahara oberste Priorität im Königreich. Das Bekenntnis zur territorialen Integrität wird von jeder Partei und jeder Bewegung, ja von jedem Bürger eingefordert. Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung werden immer wieder Opfer unfairer Prozesse. Auch Aminatou Haidar musste schon mehrmals diese Erfahrung machen. Im Alter von 20 verschwand sie für drei Jahre in einem Geheimgefängnis und wurde dort gefoltert. Und 2005 kam sie nach einer Demonstration gegen die Besetzung Westsaharas für mehrere Monate ins Gefängnis, unter dem Vorwand, sie sei eine Agentin der Polisario. Diesen Vorwurf erhob der marokkanische Außenminister Taeib Fassi-Fihri nun erneut. Allerdings ist das wenig glaubwürdig, denn gäbe es Beweise für diese Behauptung hätte man ihr wohl nach marokkanischem Recht den Prozess gemacht.

Aus Marokko heißt es nun, Haidar können ihren Pass zurückbekommen und ins Land einreisen, unter der Voraussetzung, sie entschuldige sich. Haidar ließ aber wissen, dass sie eher bereit sei zu sterben, als ihre Würde aufzugeben.