27.03.2008
Let´s all be human

Am Dienstag abend, 04.03., waren wir in das Haus eines Architekten eingeladen. Ob wir wirklich eingeladen waren oder eher mitgenommen wurden, ist mir bis heute nicht ganz klar. Dort fand ein halböffentliches Konzert statt, angekündigt wurde es als "Jazz wa Hejaz". Dabei bezog sich Jazz auf die allseits bekannte Musikrichtung, Hejaz meinte in diesem Fall die religiös-traditionelle Musik des Hejaz, also des Gebietes, in dem sich Mekka, Medina und Jeddah befinden. Bei dieser Musik werden entweder reine a cappella oder mit Oud (der arabische Laute) und Tabla (einer kleineren Trommel) begleite Hymnen vor allem auf Gott oder den Propheten gesungen. Der Gastgeber selbst entstammt einer Sharifen-Familie aus Mekka, dass heisst, er führt seine Abstammung auf den Propheten Muhammad zurück.

Als wir das Haus betraten, wurden wir Frauen in einen Raum geleitet, in den die Musik per Bildschirm übertragen wurde. In dem Zimmer befanden sich noch einige wenige junge Frauen. Da wir uns ja in Saudi-Arabien befanden, gingen wir davon aus, dass das eben der den Frauen zugeteilte Raum sei und sie demnach nicht in den Genuss kämen, die Musiker live zu sehen. Wir sollten noch eines besseren belehrt werden, aber erst, nachdem wir den obligatorischen saudischen Kaffee getrunken und ein paar Datteln gegessen hatten.Dabei bewunderten wir die geschmackvolle Architektur und Einrichtung des Hauses, ein Spiel mit traditionellen Elementen wie Arabesken, arabischen Schriftzügen und dem labyrinthartigen Verlauf der Flure (labyrinthartig zumindest für Uneingeweihte). Dazu die "persönliche Note", wie zum Beispiel ein Teich in der Mitte des Hauses (wobei dieser auch an die Innenhöfe größerer Anwesen oder an die Brunnen in Innenhöfen von Moscheen erinnerte).

Wir waren noch beim Kaffeetrinken, die Veranstaltung begann mit Erklärungen zur hejazischen Musik, die vom Arabischen ins Englische übersetzt wurden - wir waren nicht die einzigen Ausländer - als unsere Professorin zu uns kam und erklärte, dass es auch Plätze für Frauen gäbe, von wo aus man die Musiker live sehen könne. Also begaben wir uns in besagte Richtung, leider waren alle Plätze besetzt, so dass wir uns ein Stockwerk höher platzierten und so einen relativ guten Ausblick auf die Muskier sowie auf den Rest der Gesellschaft hatten.

Die Sitzordnung hielt zwar die Geschlechtertrennung ein, denn es gab Bereiche für Männer und Frauen, gleichzeitig aber bot sie die perfekte Gelegenheit, (Blick)Kontakt mit dem anderen Geschlecht aufzunehmen, denn Männer und Frauen saßen sich gegenüber, "getrennt" einzig durch die Musiker, deren Bühne sich zwischen den beiden Sitzblöcken befand. Aber auch sonst bestanden viele Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme, so beispielsweise um den Hausteich herum, wo sich das Publikum drängte.

Anfangs begann die Vorstellung recht langsam, unterbrochen durch die Erläuterungen zur Musik. Nach und nach aber gewannen die Musiker an Fahrt, und das Publikum ging mit. So sah man saudische Frauen, die sich begeistert im Takt der Jazzmusik wiegten und eben diese Jazzmusiker, wie sie sich im traditionellen saudischen Stocktanz versuchten. Während sich die Musikergruppen - die Jazzer stammten übrigens aus New York - zuerst abwechselten, entwickelte sich das ganze mehr und mehr zu einer Jam Session, wobei die Jazzer musikalisch etwas flexibler waren.

Die Musik selbst - unglaublich! Mir hat vor allem die hejazische gefallen, denn sie erinnerte mich an die Musik, mit der ich aufgewachsen bin. Vor allem ein junger Sänger, der mit einem Loblied auf den Propheten begann (soweit ich das verstehen konnte), riss das Publikum mit, mich inklusive. Und wann kriegt man so etwas schon live geboten.

Kurz bevor wir gingen - inzwischen hatte sich unsere Gruppe über das ganze Haus verteilt, ich war ein Stockwerk tiefer direkt gegenüber den Musikern gelandet - wurde diesem schönen Abend durch eine besondere Textzeile sein i-Tüpfelchen verliehen. Einer der Saudis, ich weiss nicht, ob es der Gastgeber war, sang zu einem hejazischen Rhythmus. Er sang: "Let's all be human, let's all be human, and live in peace together."

nushin

Christoph ist studierter Islam-, Politik- und Geschichtswissenschaftler mit Fokus auf Westasien. Der Mitgründer von Alsharq - heute dis:orient - war zwischen 2011 und 2014 bei der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Willy-Brandt-Zentrum in Jerusalem tätig. In Berlin arbeitet er als Geschäftsführer für Alsharq REISE. Christoph hält regelmäßig...
Nushin Atmaca ist Islamwissenschaftlerin, lebt mit ihrer Familie in Berlin und arbeitet am Museum für Islamische Kunst im Bereich Diversitätsentwicklung. Berufsbegleitend studiert sie "Kulturen des Kuratorischen" an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Mit Fragen zu Repräsentation, Sichtbarkeit und gesellschaftlichen...