09.04.2024
Frauen in Oman: Verstrickung zwischen Heirat und Zukunft der Kinder
Kinder von omanischen Müttern, die keinen Omani geheiratet haben, verlieren mit 18 ihr Aufenthaltsrecht. (Symbolbild) Foto: Harris Ananiadis/Unsplash
Kinder von omanischen Müttern, die keinen Omani geheiratet haben, verlieren mit 18 ihr Aufenthaltsrecht. (Symbolbild) Foto: Harris Ananiadis/Unsplash

Wenn omanische Frauen keinen Omani heiraten, geht ihre Staatsbürgerschaft nicht automatisch an ihre Kinder über. Bei omanischen Männern ist das anders. Die Gesetzgebung des Sultanats benachteiligt Frauen und Kinder aus gemischten Ehen.

Die Kinder omanischer Frauen befinden sich aufgrund der Gesetzgebung des Sultanats Oman in einem Schwebezustand, da ihnen nicht die gleichen Rechte zugesprochen werden wie anderen in ihrem Alter. Trotz beschlossener Gesetze zur Geschlechtergleichstellung, erhalten Kinder omanischer Väter, die mit nicht mit Staatsbürgerinnen verheiratet sind, die Staatsbürgerschaft, während sie Kindern omanischer Mütter, die keinen Omani heiraten, verweigert wird. Diese Ungleichheit hat in dem Land zu Forderungen nach einer gerechten Gesetzgebung geführt, die diesen Kindern ein normales Leben mit Zugang zu Bildung und Arbeitsmöglichkeiten ermöglichen würde.

Denn das Ausbleiben einer fairen Gesetzgebung wirkt sich erheblich auf die Lebensbedingungen dieser Familien aus: Kinder omanischer Frauen werden in ihrem Heimatland als Ausländer:innen behandelt, das schränkt nicht nur ihre Grundrechte ein, sondern auch ihren Zugang zu Bildung, Arbeitsmöglichkeiten und besseren Jobs wie Gehältern. Als Folge davon sehen sich einige Bürgerinnen und ihre Kinder gezwungen, Oman zu verlassen und in anderen Ländern ihr Glück zu suchen.

Kinder werden im Heimatland ihrer Mutter wie Ausländer:innen behandelt

Die Menschenrechtsaktivistin Habiba Al-Hanai hat sich zur Diskriminierung von Kindern omanischer Frauen, die mit ausländischen Staatsangehörigen verheiratet sind, geäußert: „Ich habe 1996 mit einer Genehmigung des Innenministeriums einen arabisch-muslimischen Mann mit deutscher Staatsangehörigkeit geheiratet. Die Heirat fand im Sultanat statt und führte 1998 zur Geburt meines einzigen Sohnes Hafez. Nach seiner Geburt stellte ich eine erhebliche Diskriminierung durch die Gesetzgebung und eine Verletzung meiner Rechte und der Rechte meines Sohnes fest“. Al-Hanai führt aus, dass sie als Mutter kein Recht habe, die Bürgschaft für ihren Sohn zu übernehmen, und dass er bei Volljährigkeit kein Recht auf ihr Erbe habe. Außerdem werde ihm der Zugang zum Arbeitsmarkt und Eigentum verwehrt. „Der Sohn wird im Heimatland seiner Mutter wie ein Fremder behandelt.“

Al-Hanai und ihr Sohn verließen Oman im Jahr 2016, da er mit Erreichen des achtzehnten Lebensjahres kein Aufenthaltsrecht mehr hatte. Sie erklärt: „Wir ließen die Erinnerungen vieler Jahre und den Traum von Stabilität hinter uns zurück und zogen nach Deutschland. Dort musste er das Gymnasium im deutschen Bildungssystem wiederholen und konnte sich erst dann an der Universität einschreiben.“ Al-Hanai weist darauf hin, dass viele omanische Frauen unter ähnlichen Problemen leiden, aber oft Angst haben, ihre Meinung oder Kritik an der Gesetzesänderung zu äußern.

Besonders belastend ist laut der Menschenrechtsaktivistin die finanzielle Last, die Mütter von Kindern ohne omanische Staatsangehörigkeit zu tragen haben. Sie habe für alle Gesundheits- und Bildungsausgaben ihres Sohnes selbst aufkommen müssen. Obwohl sie sich als Aktivistin erfolgreich für eine kostenlose Behandlung und Ausbildung von Kindern eingesetzt hat, gibt es ihr zufolge nach wie vor Einschränkungen in der Hochschulbildung: Al-Hanai ist beim Versuch, ihren Sohn an einer omanischen Universität unterzubringen, selbst vor der Zulassungsstelle des Ministeriums für Hochschulbildung gescheitert. Das Recht auf ein Stipendium blieb Hafez verwehrt, obwohl er zu den Klassenbesten gehörte. 

Sie erklärt, dass Oman sich in eine Reihe arabischer Länder einreiht, die den Kindern weiblicher Staatsbürgerinnen die Staatsbürgerschaft vorenthält. „Diese Länder sind eindeutig diskriminierend, weil sie Frauenrechte und ihre Kinder nicht respektieren und sie als Bürger:innen zweiter Klasse behandeln.“ Al-Hanai hebt in diesem Zusammenhang weitere Gesetze hervor, die Frauen in Oman diskriminieren, wie z. B. das zur Vormundschaft der Kinder. 

Männer würden weitaus mehr Unterstützung vom Staat und einen privilegierten Zugang zu politischen und entscheidungsrelevanten Ämtern erhalten, ist sie sich sicher. Dies führe dazu, dass nur wenige Frauen Ämter in der Exekutiven innehaben, da Männer die Gesetzgebung und Legislativ-Posten dominieren. Al-Hanai schlussfolgert, dass dies der Grund ist, warum patriarchalische Gesetze in Oman so weit verbreitet sind.

Die Rolle von Frauenorganisationen und der Beratenden Versammlung (Shura)

Die Aktivistin kritisiert auch die Rolle der omanischen Frauenorganisationen und der Beratenden Versammlung: „Die Frauenorganisationen stehen unter dem Dach der Regierung. Daher ist ihre Rolle oberflächlich und dient der Selbstdarstellung. Sie spielen keine wirkliche Rolle." Sie äußert auch Zweifel an der Autorität der Beratenden Versammlung und erklärt: „Die Beratende Versammlung hat keinerlei Befugnis oder Kompetenz, Gesetze zu ändern. […] Die meisten von ihnen nehmen nur Befehle entgegen und führen sie aus. Es gibt keinen demokratischen Prozess“.

Al Hanai ruft dazu auf, das Gesetz, das die Unterscheidung der Geschlechter verbietet, sowie internationale Abkommen und Rechtsvorschriften wie die Frauenrechtskonvention (CEDAW) zu respektieren. Diese garantierte das Recht der Frauen selbstbestimmt und freiheitlich zu wählen und zu heiraten, wen sie wollen. 

Eine andere omanische Frau, die anonym bleiben möchte, teilte ihre Sichtweise und Erfahrung ebenfalls mit und erklärte: „Die omanische Ehefrau hat nicht das Recht, ihren ausländischen Ehemann und ihre Kinder zu unterstützen oder ihre Staatsangehörigkeit an ihre Kinder weiterzugeben." Darüber hinaus erklärte sie, dass „der ausländische Ehemann trotz Ausnahmegenehmigung seiner Frau nicht in Oman arbeiten darf“.

Sie wies auch darauf hin, dass die Kinder von omanischen Frauen, die mit keinem Omani verheiratet sind, nach dem Tod der omanischen Mutter nicht erbberechtigt sind. Das Sultanat hat bei der Ratifizierung des CEDAW-Übereinkommens Vorbehalte zu den Artikeln eingelegt, die Frauen das gleiche Recht wie Männern in Bezug auf die Staatsangehörigkeit ihrer Kinder einräumten sowie zu dem Artikel über das Sorgerecht und die Vormundschaft für Kinder. 

Das Recht auf Nationalität

Nabhan Al-Hanashi, eine Menschenrechtsaktivistin und Direktorin des omanischen Zentrums für Menschenrechte, spricht sich gegen die Diskriminierung omanischer Frauen in der Ehe aus. Laut Al-Hanashi „gehören Frauen zu dem Land, in dem sie geboren wurden. Diese Verletzung der Rechte der Frauen stellt Rassismus, Verachtung und Diskriminierung dar. Nicht nur gegenüber der Frau, sondern auch gegenüber ihrem Partner und ihren Kindern.“

Al-Hanashi ist der Ansicht, dass die Entscheidungsträger in der Regierung Stammes- sowie soziale Interessen über den Menschen stellen. Um dieses Problem zu bekämpfen, müsse der Einzelne in der Gesellschaft Gerechtigkeit und Gleichheit einfordern. Leider schweigen viele betroffene Frauen, um Probleme für ihre Ehemänner oder Kinder zu vermeiden. Dies sei jedoch eine alltägliche Situation, die eine Vielzahl von Frauen betreffe. Al-Hanashi argumentiert, dass es inakzeptabel und unmenschlich sei, die Wahl des Lebenspartners einer Frau auf die Gesellschaft, die Bürger:innen ihres Landes oder sogar die Golfgesellschaft zu beschränken. 

Unflexible Gesetze und die Notwendigkeit, allen omanischen Kindern die Staatsangehörigkeit zu gewähren

Khalid Ibrahim, Vorsitzender des „Gulf Centre for Human Rights“, weist auch auf die Bürde omanischer Frauen hin, die ihre Staatsangehörigkeit nicht an ihre Kinder weitergeben können. Er betont, dass starre Gesetze keinen juristischen Spielraum ließen und zu Willkürlichkeit neigten. Dies habe wiederum verheerende Auswirkungen auf die betroffenen Familien. Einige Kinder omanischer Frauen müssten das Sultanat nach Erreichen des 18. Lebensjahres verlassen und ihre Familien zurücklassen.  

Ibrahim fordert die omanische Regierung auf, den Kindern omanischer Frauen die Staatsbürgerschaft zu gewähren, da dies ihr natürliches Recht sei und die Familiengründung sicherstellen würde. Die Regierung könne den Schmerz und die Probleme ihrer Bürger:innen nicht einfach ignorieren und müsse Gesetze so reformieren, dass den betroffenen Personen Gerechtigkeit widerfahre. 

Menschenrechtsorganisationen fordern seit langem die gleichen Rechte für Frauen, aber die Regierung ist bisher nur unzureichend darauf eingegangen. Deshalb betont Khalid Ibrahim die Notwendigkeit, Verstöße weiterhin zu verfolgen, Aufmerksamkeit zu generieren und ihre Abschaffung zu fordern. Er bleibt trotz allem optimistisch und sieht einen Wandel als unvermeidbar an.

Dieser Artikel erschien im englischen Original auf dem omanischen Blog Muwatin, der auf eine differenzierte Berichterstattung in der Golfregion spezialisiert ist. 

 

 

 

Muwatin ist eine unabhängige Medieneinrichtung aus Oman, die über die Golfregion berichtet und einen informierten Diskurs über Demokratie und Menschenrechte voranbringen möchte. 
Redigiert von Dorian Jimch, Hanna Fecht
Übersetzt von Regina Gennrich