Der erste Besuch des US-Präsidenten Barack Obama in Israel und den Palästinensischen Gebieten stößt bei den meisten Palästinensern auf Gleichgültigkeit. Vereinzelte Demonstrationen gegen den Besuch in Ramallah und anderen Städten im Westjordanland stehen symbolisch für die enttäuschten Hoffnungen, die Obama vor allem in seinem ersten Amtsjahr geweckt hatte. Der Präsident, der seinen Aufstieg auch der Bürgerrechtsbewegung verdankt, scheint derzeit aber keinen großen Wurf zu planen. Ein Kommentar von Jörg Knocha.
In seiner Nahost-Grundsatzrede an der Kairoer Al-Azhar-Universität im Juni 2009 sprach Obama vielen Palästinensern noch aus dem Herzen, als er die täglichen Demütigungen durch die israelische Besatzung erwähnte und einen Stopp des israelischen Siedlungsbaus einforderte. Die zumindest rhetorische Neuausrichtung der amerikanischen Nahostpolitik konnte anfangs gewisse Erfolge erzielen. So erkannte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in seiner Bar-Ilan-Rede im Juni 2009 das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat an. Wenige Monate später verkündete er einen zehnmonatigen Siedlungsbaustopp. Beide Konzessionen waren jedoch mit so vielen Restriktionen verbunden, dass sie von der palästinensischen Seite als bedeutungslose Gesten abgetan wurden. Auf den anfänglichen Enthusiasmus des Weißen Hauses folgte Resignation. Als Folge dessen zog man sich aus dem Nahostkonflikt schrittweise zurück.
Rhetorik versus Taten
Der Misserfolg Obamas lässt sich dadurch erklären, dass seiner mitreißenden Rhetorik keine praktischen Schritte folgten. Nie bekam man das Gefühl, dass seine Reden Teil einer größeren Idee oder eines Konzepts für einen Fortschritt im Friedensprozess seien. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die palästinensische Führung eine Internationalisierung des Konflikts anstrebt. Sie versucht durch die Vereinten Nationen (VN) neue Aufmerksamkeit für die eigenen Forderungen zu erlangen. Von den USA wird diese Strategie bislang jedoch abgelehnt. Ein Resolutionsentwurf, der den israelischen Siedlungsbau als Hindernis für den Friedensprozess verurteilte, wurde von der Obama-Administration im Februar 2011 durch ein Veto blockiert. Mit ihrem „Nein“ standen die USA alleine da, denn die übrigen 14 Sicherheitsratsmitglieder stimmten dem moderat formulierten Entwurf zu. An der Empörung der Palästinenser konnten auch die beschwichtigenden Worte der amerikanischen VN-Botschafterin Susan Rice nichts ändern, die betonte, dass das Veto keine Unterstützung für den Siedlungsbau bedeuten würde. Auch die anschließenden palästinensischen Anträge auf Vollmitgliedschaft sowie auf Statuserhöhung zum beobachtenden Nicht-Mitgliedsstaat in den VN fanden keine Unterstützung durch die USA. Für die Palästinenser war das grundlegende Fehlen jeglicher Art von Unterstützung der Beweis für die Inkonsistenz von Obamas Nahostpolitik.
Keine Erwartungen an Obamas Besuch
Bei Obamas nun anstehendem Besuch sollte niemand einen Paukenschlag wie in Kairo 2009 erwarten. Obama stellte bereits klar, dass er in erster Linie zuhören wolle und keine neue Friedensinitiative vorlegen werde. Er und sein neuer Außenminister John Kerry werden stattdessen darauf drängen, dass beide Seiten vertrauensbildende Maßnahmen ergreifen. Dazu könnten die Freilassung einiger palästinensischer Langzeitgefangener, eine ungehinderte Überweisung palästinensischer Zoll- und Steuereinnahmen durch Israel sowie das palästinensische Versprechen, keinen weiteren internationalen Organisationen beizutreten, gehören. Aber selbst wenn Obama es schaffen sollte, die israelische Regierung von einem begrenzten Siedlungsbaustopp zu überzeugen, würde er damit seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden.
Da eine Lösung des Konflikts ohne die aktive Teilnahme der USA aber unmöglich erscheint, bleibt zu hoffen, dass die Obama-Administration ihren Elan der Anfangszeit wiederfindet und gleichzeitig aus ihren Fehlern lernt. Das Misstrauen der Israelis gegenüber Obama und die Enttäuschung der Palästinenser lassen sich nur dann überwinden, wenn der mutigen Rhetorik des Präsidenten endlich konkrete Schritte folgen. Statt weiterhin vage zu neuen Verhandlungen aufzurufen, sollten Obama und Kerry einen internationalen Konsens herstellen, der die Aufnahme von Endstatusverhandlungen mit einem festen Zeitplan und klaren Parametern beinhaltet. Eine Interimslösung, wie sie von israelischer Seite immer wieder ins Spiel gebracht wird, scheint angesichts des tiefen Grabens zwischen den Konfliktparteien eine attraktive Alternative, doch ist an der Vertagung von Kernpunkten des Konflikts bereits der Oslo-Prozess gescheitert.
Die oftmals totgesagte Zwei-Staaten-Lösung ist nur dann noch zu realisieren, wenn die amerikanische Nahostpolitik sich wieder den Werten verpflichtet fühlt, die man 2009 hochhielt: Empathie für beide Seiten ohne die Aufgabe der notwendigen Distanz.
Jörg Knocha ist Projektmanager bei der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) Ramallah. Der Artikel stellt die Meinung des Autors dar und spiegelt nicht grundsätzlich die Meinung der KAS Ramallah wider.