18.06.2017
Stell Dir vor, es ist Kriegsende und kaum einer schreibt es – Fortsetzung der Presseschau zu 1967
Der Krieg trieb die Menschen in der ganzen Welt auf die Straße. Links der Aufruf der jüdischen Dienstleistungsorganisation Bnai Britz für eine Demo in Hollywood, rechts der Bericht von Protesten gegen Nassers Rücktritt in Algerien. (Bnai Brith vom 9. Juni 1967/Al-Moudjahid vom 10. Juni 1967). Grafik: Tobias Pietsch
Der Krieg trieb die Menschen in der ganzen Welt auf die Straße. Links der Aufruf der jüdischen Dienstleistungsorganisation Bnai Britz für eine Demo in Hollywood, rechts der Bericht von Protesten gegen Nassers Rücktritt in Algerien. (Bnai Brith vom 9. Juni 1967/Al-Moudjahid vom 10. Juni 1967). Grafik: Tobias Pietsch

Arabische Medien bezichtigen die USA, in den Krieg von 1967 einzugreifen, glauben fest an einen zukünftigen Sieg über Israel und freuen sich über Nassers Rücktritt vom Rücktritt. Die Niederlage einzugestehen fällt schwer. Israels Botschaft in Moskau packt derweil Koffer. Der zweite Teil der historischen Pressseschau aus neun Ländern.

Dieser Text ist Teil einer Serie zum Krieg von 1967. Der erste Teil der Presseschau, der sich dem Kriegsbeginn widmet, kann hier nachgelesen werden. Die Vorgeschichte zum Krieg findet Ihr unter diesem Link; wie der Krieg tatsächlich verlief (nämlich nicht so, wie es die arabischen Zeitungen hier berichten), steht hier. Alle Beiträge der Serie findet Ihr hier

Der Kriegsverlauf gestaltet sich auch nach dem Kriegsbeginn am 5. Juni für die arabischen Truppen immer desaströser. Nach dem Gaza-Streifen und dem Sinai erobert Israel das Westjordanland und Ost-Jerusalem, zum Schluss auch noch die Golanhöhen. Doch die arabischen Medien informieren zunächst weiter über einen vermeintlichen Siegeszug der ägyptischen, jordanischen, syrischen und irakischen Armeen. Al-Thawra aus Ägypten berichtet etwa am 7. Juni unter dem Titel „Der Feind zieht sich an allen Fronten zurück“ von dem angeblich erfolgreichen syrischen Einmarsch im Norden Israels: „Das syrische Heer setzte seinen Vormarsch im besetzten Land fort und fegte über die Hula-Ebene. Dabei brachte es Vernichtung über die zionistischen Siedlungen, die ihm über den Weg kamen.“

Al-Ba'th, bis heute Zeitung der syrischen Regime-Partei, widmet dem angeblichen „großen Einmarsch unserer vorrückenden Truppen in das besetzte Land“ sogar eine gesamte Serie, in der ein Redakteur des Blattes als embedded journalist persönlich von den Kämpfen berichtet. In der Ausgabe vom 8. Juni beschreibt dieser die Begeisterung und Ehrfurcht, die er und andere angesichts des Kriegsausbruchs verspüren: „Ich schreibe euch, wobei ich den Stift in meinen Händen immer weniger wahrnehme – angesichts der riesigen funkelnden Waffen, angesichts der Entschlossenheit der jungen Männer um mich herum, angesichts ihres festen Glaubens und ihres festen Willens, sich in die Schlacht für Ehre und Freiheit zu stürzen, bis dass der große Sieg errungen ist.“

„The Big Lie“ und das mysteriöse Versenken der „Liberty“

Doch die Fiktion der ägyptischen Erfolge lässt sich nicht lange aufrechterhalten, sodass die dortige Presse auf ein Thema umschwenkt, das als „The Big Lie“ in die Geschichte eingeht: die angebliche Kriegsbeteiligung der amerikanischen und britischen Luftwaffe auf Seiten Israels. Der für das politische Ressort von Al-Ahram zuständige Redakteur hatte bereits am 6. Juni von der „verdächtigen Haltung Washingtons" geschrieben und geraunt, dass „Israel nicht imstande gewesen wäre, dieses riskante Unternehmen, in das es sich gestürzt hat, durchzuführen, wenn es nicht auf konkrete amerikanische Unterstützung vertrauen hätte können“. Al-Ahrams Chefredakteur Muhammad Hasanain Haikal, gleichzeitig ein enger Vertrauter von Präsident Abdel Nasser, schreibt: „Ich hege nicht mehr den geringsten Zweifel, dass die USA und Großbritannien eine zentrale Rolle bei der Unterstützung des israelischen Angriffs spielen und persönlich in die Luftgefechte eingegriffen haben.“

Am 8. Juni versenken die israelischen Streitkräfte das amerikanische Aufklärungsschiff Liberty. Der Grund dafür ist bis heute nicht vollends geklärt. Während Israel von einer Verwechslung sprach, kursierten Gerüchte über eine Vertuschungsaktion israelischer Kriegsverbrechen oder eines Teils des israelischen Atomprogramms. Al-Ahram nennt den Angriff auf das Schiff jedoch „einen konkreten Beweis“ für die amerikanische Unterstützung und kommentiert die Vorkommnisse wie folgt: „Dieser Vorfall deckt offiziell die aktive Beteiligung Amerikas an der Schlacht auf Seiten Israels auf (...) und belegt die Existenz von Einheiten der amerikanischen 6. Flotte ganz in der Nähe zu Israels Küste.“

Die angebliche Beteiligung der Amerikaner und Briten sorgte für öffentliche Empörung in der Arabischen Welt und führte zu Demonstrationen vor deren Vertretungen, die mitunter in Gewalt ausarteten. Al-Gumhuriya dazu aus Alexandria: „Die Demonstranten attackierten das amerikanische und das britische Konsulat und legten Feuer. Sie verbrannten 30.000 Bücher“, und Al-Ahram ergänzt aus Port Said: „Demonstranten griffen das Gebäude des amerikanischen Konsulats an und zündeten Puppen an, die wie Johnson und Wilson aussahen“.

Kuwait: „Heiliger Krieg bis zum Ende“

Auch in Kuwait ist der Optimismus am 8. Juni noch ungebrochen, der Glaube an einen endgültigen Sieg besteht weiter. „1948 wird nicht noch einmal passieren – der Heilige Krieg bis zum Ende“, titelt Al-Rai Al-Am. Ausführlich werden die Erfolge der arabischen Armeen und Einheiten an verschiedenen Fronten geschildert, ebenso die politische Solidarität anderer Staaten mit dem Schicksal der Araber. Kuwaitische Schulen seien inzwischen zu militärischen Ausbildungslagern umfunktioniert worden und die Bürger werden aufgerufen, sich durch Blutspenden oder an militärischen Übungen direkt zu beteiligen. Auch kündet eine große Überschrift von der Bereitstellung von 25 Millionen Kuwaitischer Dinar aus dem Staatsetat für den Krieg.

Der letzte Frontbericht in Syrien: „Der Sieg ist unser!“

Trotz dieser Unterstützung hatte Israel am fünften Tag des Krieges das ägyptische Militär entscheidend und offensichtlich geschlagen sowie den Sinai bis zum Suezkanal erobert. Gegen Mittag forderte der UN-Sicherheitsrat alle Beteiligten zum Waffenstillstand auf. Man sollte nun meinen, dass diese überaus bedeutenden Entwicklungen einen immensen Widerhall in der arabischen Presse finden, doch tatsächlich wird darauf nur wenig Bezug genommen. In diesem Sinne knapp bleibt auch der letzte veröffentlichte ägyptische Militärbericht, der lediglich aus zwei kurzen, melancholisch wirkenden Sätzen besteht: „An der Front herrscht jetzt Stille. Alle Operationen wurden gemäß der Resolution zum Waffenstillstand eingestellt.“

Auch die syrische Al-Ba'th druckt am 10. Juni den letzten Frontbericht ihres Kriegsberichterstatters ab, als Israel gerade die Golanhöhen erobert, der trotz der Beschwörung der Standfestigkeit der syrischen Soldaten die Übermacht des Gegners zwischen den Zeilen erkennen lässt: „Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass es nutzlos ist, zu schreiben... Ich spüre, dass ich diesen Stift hinschmeißen sollte... Denn hier an diesem Ort ist das Schießen nützlicher als tausend Worte.“ Er beendet seinen letzten Brief von der Front mit dem fettgedruckten Schriftzug: „Der Sieg ist unser!“

Das „bolschewikische Schwein von Moskau"

B‘nai B‘rith ist die älteste jüdische Dienstleistungsorganisation mit Sitz in den USA. Im Leitartikel am 9. Juni wettern die Autoren Joseph Cummins und Gilbert Thompson unter dem Titel „Welche Art von Waffenstillstand?“ gegen eine von Nassers Radioansprachen und berufen sich auf den Waffenstillstand infolge des Krieges von 1948. Israel, England und Frankreich hätten 1948 soeben den Suezkanal zurückerobert, als das „kolossale Genie“ John Foster Duller, Außenminister unter Eisenhower, intervenierte, die drei Länder zum Rückzug zwang und damit Nassers Haut rettete. Die Autoren vergleichen die Situation mit der in Europa im Jahr 1940: „Erinnerst du dich, als Frankreich und England Hitler erlaubten, den Rhein zu überschreiten?“ Das sei eines der brillanten Beispiele von Dummheit in der Geschichte gewesen, doch „Gott sei Dank hat das kleine Israel mit Einbruch der Nacht am 5. Juni 1967 Nasser und seinen ungewaschenen arabischen Partnern erneut eine blutige Nase geschlagen.“

Der katastrophale Fehler eines erneuten Waffenstillstands dürfte nicht erneut begangen werden. „Die einzige Sache, die wir heute befürchten, ist, dass die westliche Zivilisation mit ihrem tiefgehenden und ehrlichen Wunsch nach Frieden abermals dem bolschewikischen Schwein von Moskau erlauben wird, die Regeln eines Waffenstillstands zu diktieren.“ Israel müsse vorsehen, dass weder dieser Nasser, noch der nächste Nasser noch Moskau erneut eine Kampagne zur Zerstörung Israels planen könne.

Nasser und der Rücktritt vom Rücktritt

Das beherrschende Thema der ägyptischen Zeitungen vom 10. Juni war dagegen der Schock über den Rücktritt von Präsident Abdel Nasser. Al-Ahram druckte dessen gesamte Rede auf Seite 1 ab, in welcher er den nun im Arabischen geläufigen Euphemismus al-Naksa (Rückschlag) für die Niederlage prägte, auf seine Errungenschaften zurückblickte, weitere angebliche Beweise für die israelisch-amerikanisch-britische „Konspiration“ vorbrachte, die Tapferkeit der Ägypter_innen und der anderen arabischen Heere lobte und schließlich seinen Rücktritt von allen Ämtern verkündete. Er schloss seine Ansprache mit den Worten: „Dies ist eine Stunde der Arbeit und keine Stunde der Trauer. Es ist eine Situation für Ideale und nicht für egoistische oder individualistische Gefühle. Mein Herz ist bei euch. Und ich möchte, dass all eure Herzen bei mir sind.“

Andere Blätter fokussierten ihre Berichterstattung auf die gewaltigen Massen an Menschen, die nach Abdel Nassers Rücktritt auf die Straßen geströmt waren. „Das Volk sagt NEIN“, titelt Akhbar Al-Yaum in riesiger Schrift und meldet in Fettdruck: „Das Volk demonstriert inmitten von Luftangriffen und fordert von Abdel Nasser, seine Entscheidung zurückzunehmen.“ A

l-Gumhuriya zitiert die Sprechchöre wortwörtlich mit „Nein! Wir wollen niemanden außer Nasser! Nasser, Nasser, Nasser! Niemand außer Nasser!“ und druckt eine hoffnungsvoll stimmende Radiosendung zu dessen möglichen Sinneswandel ab: „Um 23:07 Uhr sendete Radio Kairo folgende Nachricht von Präsident Gamal Abdel Nasser: ‚Die Gefühle, die die Volksmassen gezeigt haben, (...) haben mich in meinem tiefsten Inneren berührt. Ich werde mich morgen – so Gott will und es mir erlaubt – zum Parlament begeben und vor den Menschen unseres Volkes meine Entscheidung, die ich zuvor verkündet habe, diskutieren.“  

Die irakische Al-Akhbar berichtet von Präsident Arifs Telefonat mit Nasser. „Das irakische Volk wartet sehnsüchtig darauf, dass Sie ihren Entschluss verkünden, in Ihre ehemaligen Ämter zurückzukehren!“

Am nächsten Tag, der gleichzeitig der sechste und somit letzte Tag des Kriegs war, zog Abdel Nasser seine Entscheidung zum Rücktritt tatsächlich zurück. Damit scheint für die Zeitung Al-Gumhuriya trotz der großen militärischen Niederlage ein Sieg errungen worden zu sein: „Das Volk siegt und Abdel Nasser kehrt zurück.“ „Abdel Nasser erhört den Wunsch von Millionen“, titelt Al-Akhbar und zitiert den zurückgekommenen Präsidenten: „Ich werde bleiben... so wie es mir das Volk befohlen hat.“ Die israelische Maariv schreibt dazu ganz trocken am 11. Juni: „Nasser ist zurückgetreten, hat ‚spontane‘ (sic) Proteste organisiert und seine Meinung geändert.“

Syrien: Der Märtyrertod für das Heimatland

An den letzten beiden Tagen des Kriegs richtet Israel seine Aufmerksamkeit schließlich auf Syrien und die Eroberung der Golanhöhen, die es nach einem verlustreichen ersten Tag schließlich am 10. Juni samt der Stadt Quneitra einnimmt. Erst am 12. Juni meldet die syrische Presse den Erfolg des israelischen Einmarsches. Dabei zitiert Al-Ba'th einen Bericht des Verteidigungsministers: „Doch die Kräfte zwischen uns und dem Trio an Feinden waren nicht ebenbürtig. (...) Unsere Soldaten und Offiziere haben die an Waffen und Flugzeugen überlegenen Truppen des Feinde-Trios mit einer unvergleichlichen Tapferkeit bekämpft. Sie erlitten den Märtyrertod, als sie jedes einzelne Erdkörnchen des Heimatlandes verteidigten.“

Israel: „Gute Bedingungen, um das Problem ,Palästina' ein für allemal zu lösen“

Die israelische Zeitung Davar stellt die ersten Ideen des damaligen Außenministers Yigal Allon vor, die später als Allon-Plan bekannt wurden, ein Vorschlag, wie eine dauerhafte Einigung und ein Ende der Besatzung aussehen könnte – der aber nie umgesetzt wurde. Er wird zitiert, dass „gute Bedingungen geschaffen wurden, um das Problem ,Palästina' ein für alle Mal zu lösen.“ Die Landkarte nach dem Sieg bilde die Basis für die endgültige Einigung. „Wir wollen unsere Söhne nicht alle zehn Jahre auf die Schlachtfelder schicken, sondern Friedensvereinbarungen zwischen uns und unseren Nachbarn für das Wohl beider Seiten.“

In der Ausgabe findet sich auch eine Zigarettenwerbung. Sie zeigt einen rauchenden Soldaten mit der Aussage: „Er kommt zuerst – falls Sie in den nächsten Tagen Schwierigkeiten haben, an Ihre geliebte Duvek-Zigarette zu kommen, denken Sie daran: Selbst heute, nach dem glorreichen Sieg, müssen wir uns zuerst um unsere Soldaten kümmern, sie kommen vor allen anderen. Aber die Duvek-Fabrik tut alles, was sie kann, und wir hoffen, dass Sie bald wieder überall Zigaretten bekommen.“

Palästinensische Zeitung: „Nasser lag nicht falsch“

In der palästinensischen Wochenzeitung Al-Hurriya vom 12. Juni, die in Beirut erschien, sucht Mohsen Ibrahim unter dem Titel „Nein, Abdel Nasser lag nicht falsch… und die Araber wurden nicht geschlagen” wie seine anderen arabischen Kollegen die Schuld bei den USA. Die hätten Druck auf Nassers Regierung ausgeübt, um ihre Agenda in der Region durchzusetzen, und während der letzten drei Jahre alle revolutionären arabischen Bewegungen unterdrückt.

Aber beging Nasser einen Fehler, als Ägypten gemeinsam mit anderen arabischen revolutionären Kräften in den Krieg einstieg, weil die USA sich mit Israel verbündet hätten? Nein, er lag richtig, urteilt der Kommentator. Die USA hätten bereits lange versucht, das sozialistische Regime zu töten. In einem Versuch, die Würde seiner Leserschaft hervorzuheben, beendet Ibrahim den Artikel: „Die Menschen haben daran geglaubt, sich gegen Unterdrückung erheben zu können, sie glaubten an die Revolution. Sie glaubten, dass sie stärker als jede mögliche Besatzung sein würden...“

Libanon: Gleiche Ausgangslage wie 20 Jahre zuvor

Unter dem Titel „Ende und Beginn“ weist Mishal Abu Jaudah schon Tage zuvor, am 9. Juni, in der libanesischen Al-Nahar auf den Waffenstillstand hin, dem Ägypten, Jordanien und Syrien zugestimmt hätten. Die Ausgangslage sei somit dieselbe wie zwanzig Jahre zuvor, als die Araber zunächst die Teilung Palästinas ablehnten, dann die israelische Besatzung und schließlich die Auseinandersetzung mit den Israelis. „Die kommenden Tage werden in jedem Fall zahlreiche Probleme und Dinge offenbaren, die sich angesammelt haben und miteinander verflochten sind. Diese Offenlegung der Probleme, mit denen die Araber und die Welt gelebt haben, wird zu einem Weltkrieg führen“, so seine düstere Prognose.

Im ebenfalls libanesischen L'Orient le Jour gibt man sich da noch kämpferischer. Am 11. Juni, also dem Tag nach Kriegsende, lautet der Aufmacher: „200 MIG (sowjetische Kampfflugzeuge) in der Vereinten Arabischen Republik (Es wird auf Panzer und Bomben gewartet)“. Der Waffenstillstand sei seit dem Vorabend in Kraft, nachdem „der Feind“ ihn mehrmals gebrochen habe. Einen Kommentar zum Kriegsende oder eine Erklärung zu den Falschmeldungen vom Kriegsbeginn sucht man vergebens, stattdessen wird von 50.000 Libanesen berichtet, die für Nasser demonstriert hätten – und vom libanesischen Parlament, das ihm einstimmig Unterstützung zugesagt habe. Wenige Tage später, am 13. Juni, formuliert Mishal Abu Jaudah in der Al-Nahar „Zehn Fragen und eine Antwort“ an die Sowjetunion: zu ihrer Rolle im Konflikt, ihrer Meinung zu Israels Besatzung von Palästina, warum sie Israel als Staat anerkennt und dass sie dies zurückziehen solle, stattdessen militärisch eingreifen und von Israel verlangen, zur Grenzziehung von 1949 zurückzukehren. Er wünscht sich Beratung für das Zurückdrängen Israels und eine Antwort der Sowjetunion als einflussreiche Macht, als Mitglied des UN-Sicherheitsrats und als Verantwortliche für die Bewahrung des Gleichgewichts in der Welt.

Irak: Vergleich zwischen Zionismus und Nationalsozialismus

Im Irak scheint Al-Gumhuriya am 10. Juni wieder Platz für Buchbesprechungen zu haben. Rezensiert wird das anti-zionistische Werk „The Decadence of Judaism in Our Time“ von Moshe Menuhin. Zu diesem heißt es: „Der politische Zionismus (...) ähnelt in vielen Aspekten dem deutschen Nationalsozialismus, der auf Rasse und Rassismus basierte und das deutsche Volk auf eine höhere Ebene als andere Völker hob. Genauso verhält es sich mit dem politischen Zionismus – er basiert auf Aggression, Rassismus und der Vorrangstellung des von Gott erwählten Volkes.“

Als der Krieg am 11. Juni beendet ist, blickt die Zeitung in der Kolumne „Guten Morgen!“ trotz des Eingeständnisses der Niederlage unter der Überschrift „Der Krieg möge andauern“ hoffnungsvoll in die Zukunft: „Wir haben nur eine von vielen Schlachten verloren... Aber den Krieg haben wir nicht verloren. (...) Wir sind einhundert Millionen, wir haben mehr als die Hälfte des Erdöls auf der Welt und wir kontrollieren das strategisch wichtige Gebiet zwischen Ost und West, welches drei Kontinente verbindet. (...) Was würde wohl geschehen, wenn wir alle unsere Waffen gemeinsam ziehen würden?“

Tunesien: Enttäuschung auf ganzer Linie, doch Eingeständnis der Niederlage?

Auch in Tunesien gibt man sich trotz militärischer Niederlage perspektivisch siegessicher. Habib Boulares kommentiert in der nationalistischen Parteizeitung Al-Amal: „Der größte Fehler, den die Welt machen könnte“, wäre zu glauben, dass dieser Krieg die Palästinafrage gelöst hätte. Zwar würden die Araber_innen aus dem Krieg sehr wohl eine Lehre ziehen, doch werde es nicht die „abschreckende Lehre“ sein, die der „hasserfüllte und rassistische israelische Staat“ zu erteilen glaube. Ganz im Gegenteil: „Das ist auch ein neuer Ausgangspunkt, um zu kämpfen“, meint Boulares. „Am Ende werden wir siegen.“

In der französischsprachigen L'Action zeigt man sich vom Kriegsausgang dagegen schwer betroffen. Im Leitartikel kommentiert Aboulkheir weniger die militärische Niederlage, sondern vielmehr, dass große Teile der Weltgemeinschaft für Israel Partei ergriffen hätten: Das sei es, „was die Herzen der Araber am meisten verbittere“. So spricht er von „einer regelrechten Hetzkampagne gegen die arabische Nation“, während „der gigantische Genozid“, den die „zionistische Armee“ gegen die Araber_innen verübe, schweigend hingenommen würde. Nun gelte es für die arabischen Staaten zwar, „die Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten“, jedoch einzig, „um den langen Kampf, den sie führen müssen, erneut aufzunehmen“. Aboulkheirs Fazit wirkt krampfhaft optimistisch: „Es ist noch nicht alles verloren“, resümiert er. „Die augenblickliche Niederlage kann der Auftakt für den finalen Sieg sein.“

Saudi-Arabien: Wenig übrig von der panarabischen Solidarität

Im ebenfalls zunächst überschwänglich optimistischen Saudi-Arabien ist die Stimmung verhalten. Die zuvor fetten roten Überschriften fehlen, stattdessen gibt es eine Ansammlung kleinerer Berichte, in Al-Nadwa beispielsweise über den Öl-Notstand im „Westen“ aufgrund des gemeinsamen Boykotts der ölproduzierenden Nationen, die einzelnen Reaktionen arabischer Regierungen auf den Ausgang des Kriegs und Vorwürfe an Israel, Napalm im Kampf eingesetzt zu haben und auch nach dem Waffenstillstand weiterhin den syrischen Staat zu „belästigen“. Die Rolle Irans als Vermittler im Nahen Osten wird positiv hervorgehoben – ganz im Gegensatz zu den westlichen Mächten und der Sowjetunion, von denen eine stärkere Positionierung und mehr Unterstützung verlangt wird. Die Überbleibsel der panarabischen Solidarität werden durch Berichte von Blutspenden an die Verwundeten und Geldspenden an die Gefallenen ausgedrückt. Generell kommt aber dem menschlichen Drama, das dieser Krieg nach sich zieht, erstaunlich wenig Aufmerksamkeit zu.

Israel: „Jahre des Schreckens und des Leidens enden mit einem Donnerschlag“

Die israelische Maariv widmet ihren Kommentar am 11. Juni den Golanhöhen: „19 Jahre des Schreckens und des Leidens enden mit einem Donnerschlag. In wenigen Stunden konnten sich die langen Höhen von den erschütternden Explosionen erholen. In wenigen Stunden konnten die kleinen und mutigen Siedlungen unterhalb der Höhen endlich erlöst werden. Die Leute aus diesen Siedlungen können jetzt die Höhen hinaufblicken ohne das Gefühl, ganz unten zu sein.“ Die Nachrichten der Zeitung von diesem Tag vermitteln einen Eindruck von der damaligen Zeit:

  • Neben der Sowjetunion und der Tschechoslowakei hat nun auch Bulgarien seine Beziehungen zu Israel abgebrochen und das Personal der israelischen Botschaft in Moskau packt seine Sachen. Die israelische kommunistische Partei verurteilt die Entscheidung der Sowjets.
  • Der Vatikan verlangt die Internationalisierung Jerusalems.
  • US-Präsident Johnson tendiert dazu, Israels Recht anzuerkennen, diejenigen Gebiete zu besetzen, die es für seine Sicherheit braucht.
  • De Gaulle hat angeordnet, das französische Embargo zu beenden.
  • Zehntausende Flüchtlinge ziehen vom Westjordanland nach Jordanien. Die Einwohner Ammans begreifen erst jetzt das Ausmaß der Katastrophe (die Zeitung verwendet das hebräische Wort „Shoa“).
  • Frankreich ist dagegen, dass Israel dem europäischen Binnenmarkt beitritt.
  • In den USA steigen die Notfallspenden für Israel auf über 45 Millionen US-Dollar.
  • Direkt neben der Klagemauer hat ein israelisches Paar geheiratet.
  • Israelische Soldaten paddeln durch den Suez-Kanal.
  • Die Bundesrepublik Deutschland hat 20.000 Gasmasken an Israel gespendet. Die deutsche Zeitung „Die Welt“ berichtet demnach, dass in Deutschland die Freude über Israels Erfolg groß sei – die Deutschen freuten sich wie über den Krieg eines „Bruders“ der Deutschen. 1600 deutsche Freiwillige hätten sich als Kämpfer bei der israelischen Botschaft gemeldet, und nachdem ihnen gesagt wurde, dass Israel keine ausländischen Soldaten rekrutiert, hätten sie darum gebeten, auf israelischen Feldern arbeiten zu dürfen. Günter Grass habe empfohlen, beim Wiederaufbau der zerstörten Siedlungen zu arbeiten.
  • Bundesaußenminister Willy Brandt habe eine dauerhafte Lösung gefordert.

 

Im nächsten Teil der Serie beleuchten wir die Auswirkungen des Kriegs auf die beteiligten Länder.    

Sein Journalistik-Studium führte Bodo vor einigen Jahren in den Libanon. Es folgten viele weitere Aufenthalte im Libanon und in anderen Ländern der Levante, auch als Reiseleiter für Alsharq REISE. Bodo hat einen Master in Politik und Wirtschaft des Nahen und Mittleren Ostens in Marburg und arbeitet heute als Journalist, meist für die Badischen...
Artikel von Diana Beck, Mariam Eichbüchler, Maximilian Ellebrecht, Doron Gilad, Patrick Manolli, Thomas Wittek