29.06.2017
Welche Punkte des Ultimatums Katar erfüllen kann – und welche nicht
Blick ins Studio der Fernsehnachrichten von Al-Jazeera in Doha. Der katarische Fernsehsender soll nach Willen der vier Länder bis Sonntag abgeschaltet werden. Foto: By Wittylama (Wikicommons, CC BY-SA 3.0)
Blick ins Studio der Fernsehnachrichten von Al-Jazeera in Doha. Der katarische Fernsehsender soll nach Willen der vier Länder bis Sonntag abgeschaltet werden. Foto: By Wittylama (Wikicommons, CC BY-SA 3.0)

Eine Liste mit 13 Forderungen haben Saudi-Arabien, Bahrain, die VAE und Ägypten nach Doha geschickt. Doch die wirken wenig durchdacht. In manchen Punkten könnte Katar zwar Zugeständnisse machen – aber das Dokument wird bestimmt nicht dazu beitragen, die Krise zu lösen. Eher im Gegenteil.

Fast drei Wochen ist es her, dass Saudi-Arabien zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Bahrain und Ägypten alle diplomatischen Beziehungen zu Katar gekappt hat und eine totale See- und Landblockade verhängte. Nun übergab Mediator Kuwait im Namen der vier Länder an Doha eine Liste mit insgesamt 13 Forderungen. Obwohl sie nicht für die Öffentlichkeit gedacht war, sickerte ihr Inhalt relativ schnell durch – bereits einen Tag später veröffentlichten Journalisten eine Abschrift des Dokuments. Zehn Tage geben die Länder darin Katar Zeit, auf ihre Punkte einzugehen; das heißt, bis Ende dieser Woche erwarten sie eine Antwort.

Zuvor hatte sich der katarische Außenminister noch verärgert gezeigt, dass ihm keine konkreten Kritikpunkte mitgeteilt wurden, trotz der harschen Aktion der vier arabischen Staaten und ihrer vielen Vorwürfe. In dem Aspekt bekam er überraschend Rückendeckung vom US-Außenministerium, das die Erstellung einer eben solchen Liste forderte. Das State Department war „perplex“, so der Originalton seiner Sprecherin, dass dies noch nicht geschehen sei. Zwei Tage nach diesen Worten folgte das Papier.

Die Signale aus den USA kamen unerwartet – für alle

Es mutet dennoch ein wenig fragwürdig an, dass bis dahin so viel Zeit verstrich. Zuvor hatten die vier Länder dem Emirat Unterstützung von Terrorismus vorgeworfen, ohne jedoch konkret zu werden oder Beweise vorzulegen – ein weiterer Punkt, den das State Department monierte. Es warf indirekt Saudi-Arabien und den VAE vor, nur alte Konflikte untereinander über einen Vorwand aus der Welt schaffen zu wollen. Nachdem US-Präsident Donald Trump ihnen zuvor Rückendeckung signalisierte, kamen diese Signale aus dem US-Außenministerium für die beiden Länder eher unerwartet.

Dass die US-Diplomaten sich jedoch lieber auf die Situation im Irak und in Syrien konzentrieren wollen und der jetzigen Golfkrise nichts abgewinnen können, war abzusehen. Sollten die vier arabischen Staaten – allen voran Saudi-Arabien – in ihren Aktionen auf die USA gezählt haben, ist ihr Timing ziemlich missraten. Katars al-Udeid-Basis ist die Kommandobasis für alle Operationen der US-Streitkräfte im Mittleren Osten und angesichts der aktuellen Entwicklungen von zentraler Bedeutung; die jetzigen Spannungen stören dabei nur.

Vielleicht deswegen haben die vier Staaten nun in der erwähnten Liste ihre Kritik an Katar konkretisiert und mehrere Schritte vom Emirat verlangt. Auf den angeblichen Hauptvorwurf, Katar unterstütze Terrorismus, beziehen sich dabei nur drei Punkte; und auch ansonsten wirken die Forderungen nur mäßig durchdacht. Egal wie die Lösung der Golfkrise aussehen soll, die Liste wird bestimmt nicht dazu beitragen. Sie sorgt im Gegenteil eher dafür, dass sich die Gräben zwischen Katar und den vier Staaten weiter vertiefen. Ein Überblick:

  1. Beziehungen mit Iran herunterfahren: (Punkt 1)

Es ist gewiss kein Zufall, dass der erste Punkt die Islamische Republik betrifft. Besonders für Saudi-Arabien und Bahrain gilt Teheran als große Gefahr in der Region, weshalb Katar nun alle diplomatischen Einrichtung Irans auf seinem Boden schließen soll und seine Beziehungen zum Land im Interesse der Sicherheit des Golfkooperationsrates gestalten soll. Die saudische Imprimatur hinter dieser Forderung ist klar erkennbar. Interessant ist aber der Punkt, dass Katar all seine militärische und geheimdienstliche Kooperation mit den Iranern beenden soll – denn ob diese überhaupt existieren, ist fraglich. Seit der Internationalisierung des syrischen Bürgerkriegs stehen beide Länder auf diametral entgegengesetzten Seiten und haben nicht nur finanziell einander bekämpfende Akteure unterstützt. Abgesehen von einigen Evakuierungs- und Waffenstillstandsabkommen in Syrien, in denen Doha und Teheran als jeweilige Garantiemächte agierten, kann ihre Zusammenarbeit insofern als rudimentär angesehen werden. Tatsächlich erlebten die Verbindungen zwischen beiden Ländern erst im Zuge der Golfkrise eine kleine Hochphase: Iran stellte kurz nach der verhängten Blockade seinen Luftraum für Katars Flugzeuge zur Verfügung und verhinderte so eine totale Isolation, außerdem liefern iranische Behörden Berichten zufolge täglich Lebensmittel ans Emirat. Erst am Wochenende führte der katarische Emir Hamad Bin Chalifa Al Thani ein Telefonat mit Irans Präsident Hassan Rouhani, nach dem beide ankündigten, ihre Beziehungen intensivieren zu wollen. Möglich, dass da etwas angestoßen wurde, was ansonsten kaum vorstellbar gewesen wäre.

  1. Türkische Militärbasis schließen: (Punkt 2)

Eine ähnliche Reaktion gab es auf die zweite Forderung, laut der eine eher kleine Basis des türkischen Militärs in Katar geschlossen werden soll. Bereits kurz nach dem Ausbruch der Krise verabschiedete das türkische Parlament im Eilverfahren zwei Anträge, um die militärische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern auszuweiten – nachdem einer der Anträge zuvor seit 2015 vor sich hingedümpelt hatte. Nun soll die momentane Lagerkapazität von 90 Personen auf bis zu 5.000 Soldaten erweitert und eine unbegrenzte Anzahl türkischer Polizisten nach Doha verlegt werden. Eine nicht zu unterschätzende Entwicklung. Zwar kooperieren die Türkei und Katar besonders in Syrien schon seit längerem und verfolgen eine ähnliche regionale Agenda, aber dieses Ausmaß an Zusammenarbeit ist neu. Insofern haben sich Katars Beziehungen mit zwei mächtigen Staaten – Iran und Türkei – erst durch die Golfkrise so richtig entfalten können, und solange mindestens einer der beiden zu Doha hält, werden sie dem Druck der vier anderen Länder standhalten können. In den zwei Punkten, so viel lässt sich konstatieren, wird Katar kaum Zugeständnisse machen.

  1. Terrorismus stärker bekämpfen: (Punkte 3, 4, 5)

Katar soll alle Organisationen, die bei den vier arabischen Staaten als Terrorvereinigungen gelten, ebenfalls so einstufen und aufhören, sie zu unterstützen. Fünf nennt das Dokument explizit, an erster Stelle: die Muslimbruderschaft. Zudem soll Doha gesuchte Terroristen ausliefern. Hierbei fällt auf, dass einerseits der Fokus bei den Muslimbrüdern liegt – sie werden vor Da’esh oder al-Qaida genannt. Die Organisation ist insbesondere für Ägypten und die VAE ein wichtiges Anliegen. Nach den verbalen Angriffen auf Katar ist dieser Punkt jedoch keine große Überraschung. Interessant ist eher, dass von Katar unterstützte Gruppierungen in Libyen oder Syrien ausgespart werden, obwohl diese mitunter in Kontrast zur Außenpolitik der vier Staaten stehen. Denn dass Katar seine Position zur Muslimbruderschaft überarbeitet, ist unwahrscheinlich (Hintergründe dazu unter diesem Link). Verhandlungsspielraum gäbe es eher bei Dohas Rolle in beiden Bürgerkriegen. Solange der Druck nicht enorm ansteigt, stehen die Aussichten also eher auf Streit in diesem speziellen Punkt. Katars Verbindungen zu den anderen genannten Organisationen sind ohnehin fraglich, da dürfte Einigkeit kein großes Problem sein. Knackpunkt ist die Muslimbruderschaft – und das wird sie fürs Erste auch bleiben.    

  1. Al-Jazeera und andere Medieneinrichtungen schließen: (Punkte 6 und 11)

Besonders Ägypten und Saudi-Arabien stören sich an der Berichterstattung von al-Jazeera und fordern deswegen die Schließung des Senders. Kairo wirft al-Jazeera vor, Sympathien für Terrorismus zu zeigen und durch gefälschte Beiträge Unruhen im Land provoziert zu haben. Genannt werden auch weitere Medien wie unter anderem die Onlineseite Middle East Eye. Mit Unterstützung für Terrorismus haben diese Forderungen letztlich wenig zu tun; zwar vertritt speziell das arabischsprachige al-Jazeera einige durchaus fragwürdige Positionen, aber Kairo und Riad missfällt vor allem die zu kritische Berichterstattung. Der katarische Sender hat sich aber seit seiner Gründung als mediale Instanz etabliert und erreicht eine enorme Zuschauerzahl im Nahen Osten. Dazu kommt, dass Ägypten bis heute Mitarbeiter von al-Jazeera gefangen hält und somit nicht unbedingt das Wohlwollen des Senders für sich fördert. Nicht zuletzt hat, zumindest offiziell, Doha keinen Einfluss auf die Berichterstattung, insofern ist dieser Punkt eine Sackgasse. Eher könnte Katar entgegenkommen und einigen Nischenmedien die Finanzierung entziehen, wie es in der Vergangenheit schon geschehen ist. Aber al-Jazeera wird weiterbestehen, daran besteht kein Zweifel.

  1. Einmischung in die internen Belange der vier Staaten einstellen: (Punkte 7 und 10)

Katar soll aufhören, politische Dissidenten der Staaten bei sich aufzunehmen und jeglichen Kontakt zu Oppositionsgruppierungen einstellen. Dabei fällt auf, dass die Rede nicht von Terroristen ist, sondern Oppositionellen. Abgesehen davon ist diese Forderung vergleichsweise unkomplizierter als die anderen Punkte, darin wäre eine Annäherung durchaus möglich.

  1. Bekenntnis zu den arabischen Staaten

Die verbleibenden Punkte verlangen mehr oder weniger einige Bekenntnisse von katarischer Seite aus und die Zahlung von Kompensationen für Schäden, die durch Katars Politik angerichtet wurden, ohne diese genau auszuführen. Doha solle sich sowohl militärisch, als auch wirtschaftlich an die arabischen Staaten und die des Golfes annähern. Also seine außenpolitischen Alleingänge einstellen und mehr Absprache halten mit seinen Partnern. Katar könnte in diesem Punkt ein Lippenbekenntnis abgeben, wie bereits beim letzten großen Streit 2014 geschehen, ohne nennenswerte Folgen.

Ohne Hilfe werden die Länder den Konflikt nicht beilegen

Die Liste beinhaltet insofern eine Reihe an Forderungen, deren Umsetzung schwer werden dürfte. Es hängt dabei auch davon ab, wie sehr die anderen Staaten bereit sind, auf Katar zuzugehen und einige Aspekte zurückzunehmen. Nachdem diese Krise jedoch nicht die erste zwischen dem Emirat und seinen Nachbarn ist und bis dato alle bisherigen Einigungen letztlich am Ende nicht umgesetzt wurden, scheint man nun eine konkrete Vereinbarung erzwingen zu wollen. Mit halbherzigen Zugeständnissen wird sich wahrscheinlich niemand zufriedengeben. Es wird insofern kaum möglich sein, dass die Länder ihre Differenzen selbst beilegen – am Ende muss wahrscheinlich eine Mediation angestimmt werden, die über die bisherigen Vermittlerversuche von Kuwait hinausgeht. Ansonsten wird sich die jetzige Situation nur verschärfen. Katar ist in seiner derzeitigen Situation zu Aktionen bereit, die zuvor kaum denkbar schienen. Eine engere Kooperation mit der Türkei und eine Partnerschaft mit Iran könnten dabei nur der Anfang sein. Sich in der eigenen Unabhängigkeit einschränken zu lassen, scheint keine Option für das Emirat darzustellen. Durch Zwang Zugeständnisse erpressen zu wollen, geht somit nach hinten los.

Ein bewaffneter Konflikt ist unwahrscheinlich

Dabei offenbart sich die strategische Fehlplanung bei den Golfstaaten. Als Anrainerstaaten zu Katar wird der Druck, den sie mit ihrer verhängten Blockade versucht haben aufzubauen, mittelfristig auf sie selbst zurückschlagen. Denn fernab jeglicher politischer Einschätzung, von einem humanitären Standpunkt aus, ist die gegenwärtige Lage überaus kritikwürdig. Ägypten ist aufgrund seiner geografischen Lage außen vor, aber vor allem Saudi-Arabien wird sich mit mehr und mehr Kritik konfrontiert sehen, sollte die Blockade weiter Bestand haben. Die USA, zumindest der handelnde Flügel im Außenministerium, wird sich besonders am Vorgehen seiner Kollegen in Riad gestört haben. Das sorgte eher für Stirnrunzeln, statt die Fähigkeit der Saudis in der internationalen Politik unter Beweis zu stellen. Dass der Konflikt von einem Krieg der Worte zu einem der Waffen wird, ist aber unwahrscheinlich. Nicht nur wegen der Militärbasis der USA in Katar würde das den internationalen Druck auf die vier Staaten zu sehr erhöhen; außerdem wird man in Riad diesen Gefallen Iran kaum erweisen wollen. Stattdessen läuft alles auf eine Vermittlung hinaus, die Zugeständnisse von beiden Seiten fordern wird und den ganzen Konflikt somit begräbt – zumindest fürs Erste. Denn lösbar ist er nicht, dafür sind die Differenzen zu groß, die regionale Lage zu angespannt und Katar zu mächtig.  

Parham Kouloubandi studiert an der Sciences Po in Paris International Security und beschäftigt sich hauptsächlich mit sicherheitspolitischen Fragen und zwischenstaatlichen Beziehungen in Westasien. Sein Fokus liegt auf bewaffneten Konflikten und Diplomatie, vor allem in Hinblick auf die UN. Er ist zudem als Berater für eine ägyptische...