Seit sechs Jahren leidet der Jemen unter einem Bürgerkrieg zwischen der Staatsmacht und der schiitischen Bewegung der Houthis. Der Konflikt wird vor allem in der Provinz Saada, der nördlichen Grenzregion zu Saudi-Arabien, ausgetragen. In nunmehr sechs Kriegen seit 2004 versucht dort die Regierung unter Präsident Ali Abdallah Salih die schiitischen Rebellen des Houthi-Clans zu zerschlagen. Der Konflikt hat Tausenden das Leben gekostet und etwa 150.000 zu Flüchtlingen gemacht.
2009 weiteten sich die Kampfhandlungen auch auf Saudi-Arabien aus, als die saudische Luftwaffe Stellungen der Houthis im Norden des Jemen bombardierte. Der Konflikt hat auch eine religiöse Dimension: Die Houthis gehören der zaidischen Richtung des schiitischen Islam an und die sunnitisch dominierte Regierung des Jemen, wie auch Saudi-Arabien, werfen dem Iran vor, die Houthis für ihre Machtpolitik zu benutzen und den Konflikt anzustacheln. Die Houthis wiederum sehen sich als Opfer einer saudisch-wahhabische Verschwörung.
Im Februar 2010 einigten sich die Houthis mit der Regierung auf einen Waffenstillstand und den Austausch aller Gefangenen. Seitdem ruhen die Waffen, aber die Houthis fordern weiterhin die Freilassung von 1000 ihrer Leute.
Yahya Badraddin al-Houthi ist ein Führer der Bewegung und war Abgeordneter im jemenitischen Parlament, als er 2005 nach Deutschland kam. Wegen der Gewalteskalation lebt er bis heute in Deutschland und vertritt die Interessen der Houthi-Bewegung im Ausland. Mittlerweile hat das jemenitische Parlament seine Immunität aufgehoben. In Abwesenheit hat ihn im Februar 2010 ein Gericht zu 15 Jahren Haft verurteilt, wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Sein Bruder Abdul Malek gilt als militärischer Führer der Houthis im Jemen.
Die Fragen stellte Maximilian Felsch
1) Ihr Bruder Abd al-Malik ist der politische und militärische Führer der Houthi-Bewegung. Welche genaue Position haben Sie in der Bewegung der Houthis inne?
Ich versuche im Exil mich dafür einzusetzen, die Wahrheiten zu ermitteln und die Wirklichkeit zu verkünden, wie wir – die Zaiditen im Speziellen und das jemenitische Volk insgesamt – sie erleben. Ich trage dazu mit politischen Tätigkeiten und Öffentlichkeitsarbeit bei, so dass keine Zeit für eine andere Arbeit bleibt. Ich kämpfe mit friedlichen Mitteln für die Bewahrung unseres Glaubens, unserer Identität, unserer Geschichte, unseres Erbes, unserer Rechte und unserer Heimat – und das seit 30 Jahren zusammen mit meinem Vater und meinen Brüdern. Ich engagiere mich politisch und medial, soweit es in meinen Möglichkeiten liegt. Feste Posten gibt es in unserer Bewegung aber nicht, denn jeder bringt sich gemäß seiner Möglichkeiten ein. 1991 haben wir eine Partei, die Hizb al-Haqq gegründet, um uns über die politische Arbeit zu engagieren. Aber das Regime hat uns und unsere Anhänger drangsaliert und zwang uns, die Parteiarbeit einzustellen und die politische Oppositionsarbeit zu beenden.
2) Zu Ihrem Konflikt mit dem Staat: Was sind die Gründe dieses Konflikts und wie lauten Ihre Forderungen an die Regierung?
Es gibt keinen Konflikt zwischen uns und etwas, das man „Staat“ nennen kann. Im Jemen gibt es einen Konflikt zwischen uns und einem autoritären Diktator [Präsident Ali Abdullah Salih], der den saudischen Prinzen und wahhabitischen Agenten folgt und mit den Terroristen kollaboriert, um deren Pläne gegen das jemenitische Volk umzusetzen – und das im sozialen, religiösen und kulturellen Bereich. Er hat all seine Macht darauf ausgerichtet, die wahhabitische Mission zu predigen und ihre Präsenz im Land zu erweitern – auf Kosten der beiden vorherrschenden, koexistierenden Schulen der [schiitischen] Zaiditen und [sunnitischen] Schafiiten, und auf Kosten der Regierungsaufgaben. So entstanden im Jemen die Probleme des Terrorismus und der Entführung von Ausländern – und eine Armee, die voll ist mit Kriminellen und Takfiristen [jene, die andere exkommunizieren]. Und der Grund des Konflikts zwischen uns besteht in dem Maße, wie wir unterdrückt und benachteiligt werden. Wir wurden unserer Rechte und Freiheiten beraubt. So entstand ein Klima von Hass und Spaltung, ethnischer, konfessioneller und tribaler Diskriminierung – bis hin zu dem Punkt, dass Krieg gegen unser Volk geführt wurde. Unsere Landsleute wurden in ihren Dörfern, Häusern und Farmen getötet – ohne Unterschied zwischen Kämpfern und Zivilisten, Männern und Frauen, Greis und Säugling. Aufgrund dieser Aggression waren unsere Brüder gezwungen, sich selbst zu verteidigen. Wir fordern, gleichberechtigt in Freiheit und Sicherheit leben zu können.
3) Das jemenitische Regime beschuldigt sie, gegen die Verfassung zu verstoßen. Das Staatsfernsehen hat Videos ausgestrahlt, in denen einige ihrer Anhänger das republikanische System verdammen. Wie ist Ihre Stellung dazu?
Die Verfassung erlaubt vor allem keine Diktatur. Eigentlich sieht das republikanische System vor, dass das Volk seine Führung wählt – das Parlament und den Präsidenten, und zwar für maximal zwei Amtszeiten. Ali Abdullah Salih regiert seit dreißig Jahren außerhalb von Recht und Verfassung. Unter Salih ist die Verfassung nur Tinte auf Papier, denn er selbst ist das Gesetz. Er missbraucht die Verfassung und setzte sie gegen mich ein, um mir meine Rechte zu entziehen, während ich Mitglied des Parlaments war. Aufgrund seiner wahhabitischen, terroristischen Agenda und aus rassistischen und aus diskriminierenden Gründen, war mir fortan die politische Arbeit im Jemen nicht mehr möglich. Die Verfassung erlaubt all dies nicht. Und sie erlaubt auch keinem ausländischen Staat, das Volk aus der Luft zu anzugreifen. Ali Abdullah Salih kooperiert mit Saudi-Arabien und willigte ein, unser Volk zu bombardieren und einen Teil unserer Heimat zu besetzen. Und was die Videos anbetrifft, so sind sie nachsynchronisiert und nicht authentisch, und viele derjenigen, die sich zu Stellungnahmen bereit erklärten, gehören nicht zu unseren Anhängern, im Gegensatz zu dem, was die Staatsmedien behaupten. Leider gibt es im Jemen keine Republik, sondern nur einen autoritären Diktator namens Ali Abdullah Salih.
4) Auf welche Ziele arbeiten sie im Jemen hin? Besitzt die Houthi-Bewegung eine einheitliche politische Ideologie?
Wir verteidigen uns gegen Unterdrückung, und wir hoffen, dass unser Volk gleichberechtigt in Freiheit, Frieden und Sicherheit leben kann. Das könnte man als unsere Ideologie betrachten.
5) Wollen Sie im Jemen ein Imamat oder Kalifat errichten?
Wir streben eine gerechte Herrschaft an, die Gerechtigkeit gegenüber den Unterdrückten walten lässt und sich um das Wohl des Volkes sorgt.
6) Zielen Sie auf den Umsturz des politischen Systems im Jemen und die Errichtung einer Monarchie, die sich auf den Klerus stützt?
Es gibt im Jemen kein politisches System, sondern nur einen Diktator, der das Volk autoritär, durch Zwang, Betrug, den wahhabitischen Irrweg und seine Familie regiert. Die Verantwortung für den Wandel liegt auf den Schultern des gesamten Volkes. Und als Teil des Volkes haben wir in Theorie und Praxis das Recht, zum Wohle unseres Landes und für die Befreiung vom saudischen Absolutismus zu kämpfen.
7) Sie beschuldigen die Regierung, die zaiditische Glaubensrichtung zu bekämpfen …
Ja, wir werfen Ali Abdullah Salih und seinen Handlangern vor, die zaiditische, aber auch die schafiitische Rechtsschule zerstören zu wollen, um stattdessen die salafitisch-wahhabitische einzusetzen. Sie arbeiten bereits seit Beginn seiner Amtszeit daran. All das geschieht nach den Wünschen der Saudis, die diese Mission mit Milliarden Riyal finanzieren. Sie haben hunderte Medressen [Koranschulen] gebaut und mit radikalen wahhabitischen Lehrplänen gefüllt. Dazu kommt die vollständig monopolisierte Medienmacht, die im Dienste dieser Mission instrumentalisiert wird. Die Medien werden von den saudischen Scheichs kontrolliert, genauso wie die Ministerien für Erziehung und religiöse Stiftungen. In unserem Land existieren eine Reihe absolutistischer Gruppen, die nicht zum Wohle des jemenitischen Volkes arbeiten. Sie arbeiten für die wahhabitische Mission, zur Vermehrung terroristischer Elemente, um mit ihnen islamistische Eroberungen in Europa und Amerika zu produzieren. Und im Namen dieser Mission haben sie unsere Moscheen, religiösen Stiftungen, Schulen und Lehranstalten enteignet. Sie haben sogar unsere Moscheen und Friedhöfe zerstört, unsere Gräber geschändet und mit sechs aufeinander folgenden Kriegen unser Land überzogen.
8) Im Internet und im Staatsfernsehen waren Bilder zu sehen, in denen einige Ihrer Anhänger im Norden des Landes Rituale der Zwölferschia praktizieren, wie man sie im Iran kennt, etwa das Schlagen auf die Brust. Sind die Houthis zum Zwölferschiitentum übergetreten?
Wir sind Zaiditen und was das Schlagen der Brust betrifft, so existiert das bei uns nicht. Diejenigen, die diese gefälschten Bilder ins Internet gestellt und in einem einzigen Film zusammen geschnitten haben, wollen die Leute hinters Licht führen, damit sie sich von der Zaidiya lossagen. Sie stellen sich vor, dass sich die zaiditischen Stämme nicht mehr mit uns identifizieren würden. Aber ihre Täuschungen haben ihnen nichts genutzt: Der Widerstand meiner Brüder über sechs Jahre voll Krieg und Belagerung hinweg ist ein klarer Beweis dafür, dass das Volk fest an unserer Seite steht.
9) Haben Sie etwas mit den Angriffen auf Regierungsinstitutionen und ausländische Einrichtungen in der Hauptstadt Sana’a zu tun?
Wir stehen in keinerlei Verbindung zu kriminellen Handlungen. Unsere Brüder sind dafür bekannt, inmitten des Kampfgebietes zu sein. Sie sind nicht darauf angewiesen, zivile oder ausländische Einrichtungen anzugreifen. Sie führen Krieg gegen jene, die gegen sie Krieg führen und schließen Frieden mit denen, die ihnen friedlich gesonnen sind. Es ist bekannt, dass hinter diesen Operationen, die wir für einen Fehler halten, Regierungselemente aus den Reihen der Terroristen stecken, die Präsident Salih für seine Zwecke nutzt.
10)Was steckt hinter dem Konflikt mit Saudi-Arabien, der bis vor kurzem andauerte und wie ist der aktuelle Stand in diesem Konflikt?
Ich sehe das so, dass die Kriege gegen uns ursächlich saudische Kriege sind, deren Ziel die Auslöschung des zaiditischen Glaubens ist, der der wahhabitischen Mission seit vielen Jahren im Wege steht. Das ist die Wahrheit des Konflikts. Das alles geschieht, um den Jemen zum Wahhabismus zu konvertieren und ihn zur Basis von Terror und Missionierung zu machen – das ist das saudische Hauptziel. Für die Verwirklichung dieses Ziels wurden üppige Summen aufgewendet. Die Saudis beschlossen, Ali Salih bei der Niederschlagung unseres Volkes zu helfen. Sie dachten, dass ihre Armee zusammen mit der Ali Salihs fähig wäre, unsere Brüder auszulöschen und ihm eine vernichtende Niederlage zu bescheren. Aber sie haben die bittere Wahrheit gesehen und ihren Ruf beschmutzt, weil sie die Luftwaffe gegen Zivilisten eingesetzt haben.
11)Unterhält die Houthi-Bewegung Beziehungen zu den Schiiten in Saudi-Arabien, wie es Ihre Gegner behaupten?
Da besteht keinerlei Verbindung. Die Schiiten im saudischen Königreich leiden unter konfessioneller Diskriminierung, Gewalt und Verfolgung. Und obwohl das Öl unter ihren Häusern liegt, leben sie in extremer Armut, diskriminiert und verachtet im Schatten der wahhabitischen Herrschersippe, die das Volk versklavt und sie als Eigentum der Familie ansieht. Das Regime der saudischen Sippe ist ein Sklavereisystem. Und ich wundere mich über Amerika, dass es dieses Regime und das, was es zur Unterstützung der Terroristen auf der ganzen Welt tut, nicht bestraft. Denn es war Amerika, das das repressive Saddam-Regime zu Fall brachte, und einige Verbrechen Saddams geschahen mit saudischer Unterstützung. Und Amerika erlaubte es dem Volk, seine Herrschaft selbst zu bestimmen, in einem republikanischen System mit freien Wahlen. Und ich bin überrascht, dass die Vereinten Nationen dazu schweigen, was dem Volk und insbesondere den Schiiten in Saudi-Arabien an beispielloser Unterdrückung und Aggression widerfährt, die man sonst nur in der Hölle erwartet. Und das alles geschieht, obwohl die Leute in den Berichten der Menschenrechtsorganisation über das Leiden des Volkes unter der Knute der saudischen Sippe nachlesen können.
12)Die jemenitische Regierung behauptet, dass Sie einen konfessionellen Krieg gegen sie führten und dass der Iran Sie benutzt, um seinen Einfluss geltend zu machen. Es wurden auch Bilder ihrer Anhänger übertragen, in denen diese Slogans der Islamischen Revolution skandieren. Wie antworten Sie auf den Vorwurf, dass Sie vom Iran finanziert werden?
Sie haben beschlossen, dieses Gerücht zu streuen, weil sie ihr Ziel, uns zu vernichten nicht erreichen konnten. Damit verfolgten sie die folgenden Absichten: Erstens Verschleierten sie mit dieser Behauptung die saudische Einmischung in jemenitische Angelegenheiten und ihre Beteiligung an dem Krieg gegen unser Volk. Sie machten diese Anschuldigungen, um die saudische Intervention zu rechtfertigen. Während des Krieges haben wir gesehen, wie eine der bedeutendsten Anschuldigungen in der saudischen Presse propagiert wurde. Und wenn der Iran in jemenitische Angelegenheiten involviert wäre, dann hätte er die saudische Intervention ausgenutzt und wäre uns zu Hilfe gekommen, weil er die Rechtfertigung gehabt hätte. Zweitens: Um das Feuer des Konfessionalismus anzufachen, haben sie die Armee mit Wahhabiten, Terroristen und sogar mit Studenten des Dar al-Hadith in Dammaj aufgefüllt unter der Losung des Kampfes gegen die iranische und schiitische Expansion. Drittens: Um Hilfe vom Westen gegen die Houthis zu erbitten. Aber amerikanische Offizielle haben jeden Hinweis auf iranische Intervention immer wieder bestritten – als Antwort auf das unablässige Gebrüll ihrer sich wiederholenden Anschuldigungen. Die Wahrheit ist, dass der Iran weit weg ist von dem, was in unserem Land passiert und all diese Probleme sind auf die saudische Intervention im Jemen zurückzuführen, die auf die Umwandlung der Jemeniten in Wahhabiten zielt. Unsere Anhänger haben keine iranischen Slogans wiederholt, aber sie haben ähnliche Slogans erfunden. Die Leute ähneln sich in vielem, was sie tun. Aber wir sind nicht bereit, unsere Brüder, unsere Söhne, unser Volk und unsere Leben für den iranischen Einfluss zu opfern. Das sind keine logischen Argumente. Ali Salih hat uns nicht politisch bekämpft. Warum die Drangsalierung bis wir die Hizb al-Haqq aufgeben mussten? Warum fälscht er die Wahlen? Warum lässt er das Volk nicht selber über seine Führung entscheiden, wie es hier in Deutschland, Großbritannien, Amerika und anderen demokratischen Ländern geschieht? Warum herrscht er seit dreißig Jahren und will sich von seinen Söhnen beerben lassen?
13)Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe, die zur Eskalation zwischen Sunniten und Schiiten überall im Nahen Osten geführt haben. Nicht nur im Jemen, auch im Libanon, im Irak, in Saudi-Arabien …
Diese Politik wurde von Großbritannien während der Kolonialzeit in unseren Gebieten angewandt. Sie haben diese Widersprüche ausgenutzt und den Sunniten die Macht über die schiitischen Gebiete übertragen, weil sie mit ihnen kooperierten, wie man in Bahrain, im Irak und einigen Golfländern sieht. Dasselbe gilt für das Osmanische Reich, das den Konfessionalismus revolutioniert, alle arabischen Länder kolonialisiert die Schiiten verfolgt und viele Einwohner zum hanafitischen Sunnitentum bekehrt hat. Die Osmanen haben versucht, das Glaubensbekenntnis der Jemeniten zu ändern, aber diese wehrten sich dagegen und heute verfolgt Saudi-Arabien genau dieselbe Politik. Es sind die Politiker, die Probleme zwischen den Völkern verursachen und diese Widersprüche nutzen, um ihre Wünsche zu erreichen – so wie früher zwischen den Religionsgruppen in Europa. Die Völker dagegen wollen nur in Frieden miteinander leben.
14)Wie ist die humanitäre Situation in den Stammesgebieten des Nordjemen, gerade jetzt, da viele Hilfsorganisationen das Gebiet aus Sicherheitsgründen verlassen haben?
Die humanitäre Lage ist katastrophal. Die Tragödie von sechs Kriegen ist über die Bevölkerung hereingebrochen. Und das alles ohne dass Hilfsorganisationen vor Ort sind, außer einer kleinen Abteilung des Internationalen Roten Kreuzes und der „Ärzte ohne Grenzen“. Das Regime behindert die Bemühungen dieser Organisationen und lässt keinerlei Hilfe zu den Einwohnern durch, da es sein Ziel ist, uns vollständig zu vernichten. Die Hilfsorganisationen haben vom Regime keine Genehmigung, sich frei zu bewegen. Und die Vereinten Nationen haben keine eigene Stimme, sondern müssen auf grünes Licht in Washington warten. Und auch Menschenrechtsorganisation haben kein grünes Licht aus Washington bekommen. Aber vielleicht braucht Washington selbst grünes Licht aus Riad – das ist unmöglich.
15)Somalia und der Jemen sind zuletzt in den Fokus der Amerikaner im Kampf gegen den Terror, insbesondere gegen al-Qaida gerückt. Ist der Jemen auf dem Weg ein zweites Afghanistan zu werden?
Ich habe Ali Abdullah Salih schon vor zehn Jahren mit Siad Barre [Präsident Somalias]verglichen. Ali Salih ist auf die Vermehrung der Terroristen angewiesen und er hat sie in letzter Zeit vermehrt. Denn das jemenitische Volk der zaiditischen und schafiitischen Richtung hat die terroristischen Ideologien nicht angenommen. Ali Salih war gezwungen, die takfiristische wahhabitische Ideologie zu kultivieren und er hat damit bis heute nicht aufgehört. Al-Qaida im Jemen ist durchsetzt mit Elementen aus Salihs Geheimdienst und seinen Soldaten. Solange Salih an der Macht ist, gibt es im Jemen Terrorismus, Entführungen und Piraterie. Amerika ist sich dieser Tatsache bewusst und weiß, dass es Salih ist, der al-Qaida beschützt und beherbergt. Jemens Situation unterscheidet sich sonderlich von der in Somalia. Die internationale Gemeinschaft wollte in Frieden und Sicherheit vor dem Terror und der Piraterie al-Qaidas leben. Und um den Kopf der Schlange, verkörpert durch die saudische Sippe, abzuschlagen, muss man nur von der Mitte ausgehen. Die [saudische] Herrscherfamilie ist die Quelle des Terrors.
16)Glauben Sie, dass die Entführung von Ausländern ein legitimes Mittel der Kriegsführung ist? Ist Ihre Bewegung in irgendeiner Weise in die Entführung der deutschen Familie in Sa’ada involviert?
Vor jedem Krieg inszenierte Ali Salih Anlässe, um seine Angriffe zu rechtfertigen. Vor dem vierten Krieg nutzte er einen persönlichen Streit zwischen einer muslimischen und einer jüdischen Familie der Al Salem aus und schickte den Geheimdienst zur Einschüchterung. Die Geheimdienstschergen hatten ihre Gesichter verhüllt, so dass die Juden sie nicht erkannten. Sie bedrohten die Familie und
behaupteten, der Houthi-Bewegung anzugehören. Sie haben sogar Aussagen in einem Hotel in Sa’ada inszeniert, die von al-Jazeera gesendet wurden, in denen die Juden sagten, dass sie von den Houthis bedroht und deportiert wurden. Dann startete Salih den vierten Krieg, der auf amerikanische und israelische Hilfe zielte. Vor dem fünften Krieg explodierte ein Motorrad in einer Moschee in Sa‘ada, die von Armeeangehörigen, Wahhabiten und anderen terroristischen Gruppen besucht wurde. Salih beschuldigte die Houthis hinter der Explosion zu stecken und startete den fünften Krieg unter Umgehung des Doha-Abkommens. Vor dem sechsten Krieg ließ Salih eine deutsche Familie, einen britischen Arzt und eine Koreanerin aus dem Krankenhaus in Sa’ada entführen und beschuldigte uns unmittelbar danach, für die Entführungen verantwortlich zu sein. Und er beeilte sich, zwei Mädchen zu töten, um die Hässlichkeit des Verbrechens aufzuzeigen. Schließlich wurde aufgedeckt, dass die Houthis mit keinem dieser Verbrechen etwas zu tun gehabt hatten. Ich bedaure diese Ereignisse sehr, aber Entführung und Mord gehören zu dem bekannten Vorgehen Ali Salihs.
17) Die Houthis wurden in der Vergangenheit wiederholt beschuldigt, ethnische Säuberungen gegen die Juden im Nordjemen zu unternehmen. Wie begegnen Sie diesem Vorwurf?
Wir kennen die Juden im Jemen und lebten seit vielen Jahrhunderten mit ihnen zusammen, bis die meisten von ihnen nach Palästina auswanderten. Und das, was jetzt über die Feindschaft zu den Juden gesagt wird, sind Gerüchte und politische Provokationen, die, wie bald klar wurde, darauf zielten, die Gefährten der Juden auf die Seite Ali Salihs und damit gegen uns zu ziehen. Wenn wir uns fragen, wer den Juden al-Nahary in Zaida getötet hat, obwohl er Frau und Kinder hatte, dann stoßen wir auf einen der Armeeschergen Ali Salihs. Um der Strafe zu entgehen, behauptete er, geistig gestört zu sein. Warum reden die Menschen nicht über die Verbrechen, die Ali Salih begangen hat? Warum trauen sie seinen Anschuldigungen?
18)Wann sind Sie nach Deutschland gekommen und wie lange leben Sie schon hier? Befürchten Sie, dass die deutsche Regierung Sie an den Jemen ausliefert, gerade weil die jemenitische Regierung ja Ihre parlamentarische Immunität aufgehoben hat?
Ich kam 2005 nach dem Waffenstillstand und ich wusste noch nicht, dass Ali Salih den Krieg gegen unser Volk von Neuem starten würde, sonst wäre ich da geblieben. Nach meiner Ankunft in Deutschland begann der zweite Krieg. Einige meiner Brüder forderten mich auf, in Deutschland zu bleiben, weil der Route zurück nicht befahrbar wäre. Ich war somit gezwungen, einen Aufenthalt zu beantragen. Was meine mögliche Auslieferung betrifft, so denke ich dass in Deutschland Recht und Ordnung herrschen und ich fühle, dass ich hier in Sicherheit und Freiheit leben kann. Die Entscheidung hier zu bleiben kam zustande, weil mein Leben in Gefahr ist. Und was die Aufhebung der Immunität betrifft, ist sie das Ergebnis einer Reihe von Manipulationen des Rechtssystems. Die Anschuldigungen, die gegen mich während meines Prozesses erhoben wurden, haben nichts mit der Realität zu tun. Wenn die Anschuldigungen wahr wären, hätten sie mich aburteilen können, während ich in Sana’a war. Und was meine Verfassung betrifft, so geht es mir Gott sei Dank gut,
auch wenn ich in der Fremde bin und mich um meine Familie sorge.