22.07.2018
Zum Auftakt der Alsharq-Serie: Tschüss ya Biladi, Hallo Gorba!
Alsharq-Serie: Tschüss, Ya Biladi - Hallo Gorba! Collage: Tobias Pietsch. Fotos: Kairo (mit freundlicher Genehmigung), Berlin - Sascha Kohlmann, "East Berlin" via Flickr (https://flic.kr/p/jCae3t), Lizenz: CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/)
Alsharq-Serie: Tschüss, Ya Biladi - Hallo Gorba! Collage: Tobias Pietsch. Fotos: Kairo (mit freundlicher Genehmigung), Berlin - Sascha Kohlmann, "East Berlin" via Flickr (https://flic.kr/p/jCae3t), Lizenz: CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/)

Mit gemischten Gefühlen planen Soheib, Sayed und Samira ihre Reise von Ägypten nach Deutschland. Dort wollen sie sich ein neues Leben aufbauen – obwohl sie noch nie dort waren. Aisha Abdelrahman hat alle drei in Kairo getroffen und mit ihnen über ihre Hoffnungen und Sorgen gesprochen, eine neue Heimat zu finden.

Der Auftakt einer Serie über das Loslassen - und das Ankommen. Alle Texte der Serie finden Sie hier.

Gorba bedeutet „Fremdheit“. So wird in Ägypten das Leben im Ausland beschrieben. Gorba heißt, abseits und weit weg zu sein, sich fremd oder einsam zu fühlen – fern ab von der Heimat, die liebevoll biladi genannt wird.

Viele Lieder, Gedichte und Filme beschreiben den Schmerz, die Einsamkeit und das Heimweh in der Fremdheit. Auch viele Gespräche handeln von der Angst, in Fremdheit zu sterben oder Liebende zu verlieren. Und von der Trauer, das Leben in der Heimat zu verpassen, wo Ramadan und andere Feste gefeiert werden und kleine Kinder aufwachsen.

Der Plan ist die Rückkehr - oder eben nicht

Die Menschen, die Ägypten und ihr eng verknüpftes soziales Umfeld verlassen, tun das nur sehr schweren Herzens. Doch wegen der zermürbenden wirtschaftlichen und politischen Lage reisen derzeit immer mehr junge und gut ausgebildete Menschen ins Ausland. Manche möchten genug Geld verdienen, um sich anschließend in Ägypten ein besseres Leben aufzubauen.

Andere überlegen sogar, gar nicht mehr nach Ägypten zurück zu kommen. Sie zieht es nicht nur in die „attraktiven“ Länder wie Deutschland, England, Österreich und die USA. Auch viele kleinere europäische und asiatische Länder gehören zu den Destinationen. Über den Reiseverlauf entscheiden dagegen oft, wer wo wie ein Visum bekommt oder Kontakte hat.

Wie aufreibend eine solche Reise und die Planungen dafür sind, berichten Soheib, Sayed und Samira ausführlich in den Gesprächen im Rahmen dieser Serie.

Drei Menschen, drei Schicksale

Los geht es mit Soheib Abdelaziz. Er ist 26 Jahre alt, derzeit arbeitslos und wird von seinen Eltern unterstützt. Einen neuen Job in der Flugindustrie zu finden, erscheint ihm unmöglich. Seine Pläne, eine Wohnung in Kairo zu kaufen und Familie zu gründen, hat er deshalb erst einmal auf Eis legen müssen. In Deutschland, so erzählt er uns, möchte er sich mit einem Studium ein stabiles Leben aufbauen. Allerdings hofft er, dass seine Familie zu ihm kommt. Er kann sich aber auch gut vorstellen, irgendwann wieder nach Ägypten zurück zu kehren.

Das zweite Gespräch haben wir mit Sayed Mahmoud geführt. Er ist 25 Jahre alt und wohnt mit seiner Familie in einer informellen Siedlung an der Stadtgrenze Kairos. Seit einigen Jahren ist er in einer deutschen Firma angestellt. Mit der Zeit aber ist ihm klar geworden: „Egal wie viel ich hier verdiene – mein Leben wird sich nur um Arbeit, Essen und Schlafen drehen“. In Deutschland erhofft er sich dagegen ein erfolgreiches und angenehmes Leben. Hier möchte er seinen zukünftigen Kindern eine gute Ausbildung anbieten.

Samira Samouel ist die dritte. Sie ist 35 Jahre alt. Ihre ganze Familie kommt aus einem Dorf im Süden Ägyptens. „Hier habe ich kein Leben mehr”, sagt sie. Als studierte Archäologin und Touristenführerin findet sie in Kairo nur einen Job in einem deutschsprachigen Call-Center. Weil sie jedoch noch keine eigene Familie habe, werde sie im Alltag nicht besonders respektiert. Mit einem Freiwilligendienst in Deutschland möchte sie sich deshalb ein anderes soziales Umfeld aufbauen und neue Perspektiven schaffen.

Im zweiten Teil der Serie begleiten wir dann die jungen Männer Ahmad und Muhammed, die aus Ägypten nach Deutschland gezogen sind und mittlerweile in Berlin leben. Wie sehen sie das Leben in Deutschland? Entspricht es ihren Erwartungen und Träumen? Was läuft gut und was nicht so sehr? Zum Schluss berichtet dann die ägyptische Autorin Aisha Abdelrahman, die vor zwei Jahren nach Deutschland ausgewandert ist, von ihrer Geschichte und wie es dazu kam, dass sie diese Serie schrieb.

Info: Hürden auf dem Weg zum Visum
Um ein Studienvisum in Deutschland zu beantragen, müssen junge Ägypterinnen und Ägypter 8.640 Euro in einem deutschen Bankkonto hinterlegen. Das Geld wird gesperrt und jeden Monat dürfen ungefähr 700 Euro abgehoben werden. Doch bereits die erforderliche Sprachprüfung kostet zwischen 2.900 und 3.500 Pfund (145 bis 170 Euro). Hinzu kommen die Kosten für Bücher, Sprachkurse sowie die Übersetzung und Beglaubigung von Unterlagen. Vielen Ägypterinnen und Ägypter fehlen selbst die finanziellen Mittel, die für Tourismus-, Praktikums- oder ein Besuchsvisum gefordert werden. Die Meisten leihen sich deshalb Geld von ihren Familien. Ein Arbeitsvisum zu bekommen, ist ähnlich schwer, weil man erstmal einen Arbeitsvertrag haben muss.

Artikel von Aisha Abdelrahman
Redigiert von Johannes Gunesch, Jan-Holger Hennies