Seit 2015 trägt eine Vorlesungs- und Publikationsreihe an der Universität Bonn den Namen des Orientalisten Otto Spies – obwohl seine Nähe zum Nationalsozialismus dokumentiert ist. Neue Forschungsergebnisse lassen keinen Zweifel mehr zu.
[Contentwarnung: In diesem Artikel wird nationalsozialistische Sprache zitiert.]
Die Frage nach der Umbenennung von Straßen, Denkmälern, Jubiläen und Ehrungen mit in Verruf geratenen Namensgeber:innen hat in den letzten Jahren zahlreiche Debatten ausgelöst. Zuletzt wurde im August 2025 in Berlin-Mitte eine Straße nach erbitterten Auseinandersetzungen in die „Anton-Wilhelm-Amo-Straße“ umbenannt, da sie zuvor eine rassistische Bezeichnung trug. Mit dem neuen Namen wird nun an den ersten Privatdozenten afrikanischer Herkunft im achtzehnten Jahrhundert in Deutschland erinnert.
Hartnäckige Gegner:innen solcher Umbenennungen verweisen gerne auf die Tradition, die mit Namen einhergehe, oder betrachten Umbenennungen gar als Ausdruck übertriebener politischer Korrektheit. Befürworter:innen halten dagegen, dass belastete Namen symbolisch für Diskriminierung und Ideologien stehen, die mit einem verantwortlichen Umgang mit der Geschichte unvereinbar seien. Ein erinnerungspolitischer Konsens scheint sich jedoch zumindest dort durchgesetzt zu haben, wo es um die Ehrung von Menschen geht, die in den Nationalsozialismus verstrickt waren.
Universitäten als Orte der kritischen Auseinandersetzung kommen hierbei eindeutig eine besondere Verantwortung zu. So sollte angenommen werden, dass Wissenschaftler:innen, die in der Zeit des Nationalsozialismus Karriere machten, ein grundsätzliches Misstrauen entgegengebracht würde. Das Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn hinderte dies jedoch nicht daran, noch im Jahr 2015 eine Vorlesungs- und Publikationsreihe nach dem Orientalisten Otto Spies (1901–1981) zu benennen. Er war von 1951 bis 1970 der Direktor des ehemaligen Bonner Orientalischen Instituts.
Wissenschaft und Weltanschauung
Auf den ersten Blick scheint Otto Spies eine ideale Wahl für die sogenannte „Memorial Series“ zu sein, die zum Ziel hat, neue Forschungsperspektiven in der Osmanistik zu eröffnen. So reicht sein wissenschaftliches Portfolio von Veröffentlichungen zum Osmanischen Puppenspiel über das Islamische Recht bis hin zu einem Lehrbuch über Hindustani-Sprachen – und deckt somit eine in der modernen Universitätslandschaft nicht mehr existierende philologische Breite ab.
Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine respektable wissenschaftliche Laufbahn nicht vor weltanschaulichen Irrwegen gefeit ist. Bereits in Helmut Heibers Universität unterm Hakenkreuz wird Spies im Jahr 1933 zitiert. Er äußerte damals seine Hoffnung, in Deutschland als einer der „national-bewußt[en]“ und „für das neue Reich in Begeisterung alles einsetzende[n] Männer“ eine Stelle an der Universität zu erhalten. Sicherlich war eine solche Gesinnung kein Hindernis dafür, 1936 auf eine Professur in Breslau berufen zu werden.
Auch Ekkehard Ellinger verwies 2006 in seiner einschlägigen Studie zu den Verstrickungen der Orientalistik mit dem Nationalsozialismus darauf, dass Spies vermutlich Mitglied der NSDAP gewesen sei und nach seiner Einberufung in den frühen 1940er-Jahren mit Aufgaben im Geheimdienst und der Wehrmacht betraut war. 2018 führte Gül Şen in einem Beitrag ebenfalls Spies’ NSDAP-Mitgliedschaft auf Grundlage seiner Entnazifizierungsakte an. Hier werden die Hinweise auf Spies’ Nazivergangenheit allerdings als „spärlich und widersprüchlich“ dargestellt.
Die im Bundesarchiv auffindbare NSDAP-Mitgliederkarteikarte zeigt allerdings, dass Spies am 1. Mai 1934 unter der Mitgliedsnummer 3452775 in die Partei eintrat. Nach Enno Littmann (1875–1958), ebenfalls Orientalist und später Spies’ Doktorvater, habe sich Otto Spies ab 1939 von der NSDAP entfremdet. Dies legt einer von Littmanns Briefen an seinen Fachkollegen Paul Kahle (1875–1964) nach dem Zweiten Weltkrieg nahe. Ob diese Darstellung jedoch zutrifft und eine glaubhafte Abkehr belegt, ist fragwürdig.
Neue Forschung lässt keinen Zweifel an NS-Gesinnung
In der Forschung bisher unbeachtete Briefe von Spies im Nachlass von Enno Littmann lassen keine Zweifel an Spies’ nationalsozialistischem Weltbild in den 1930er-Jahren. Mit knapp über 30 Jahren war Spies 1932 auf eine Professur für arabische Sprache an der Aligarh Muslim University im kolonialen Indien berufen worden. Stolz, dort „dem deutschen Namen wieder Ehre gegeben“ zu haben, beklagte er sich am 19. April 1933 bei Littmann, dass er „leider zuweilen als Jude angesehen“ werde. Er führte weiter fort: „Dabei sind wir Deutsche froh, dass wir endlich mal wieder eine bewusst nationale Regierung haben, die im eigenen Lande aufräumt und gegen die internationalen Lügen u. [sic] Verleumdungen über Deutschland vorgeht, die von den Juden u. Sozialisten in Szene gesetzt wurden. Kann sich irgendein vernünftiger Mensch der Notwendigkeit verschliessen, dass die nationale Regierung unterstützt werden muss?“
Er führt mit Bedauern aus, dass er „in diesen kritischen Tagen, die für die Geschichte Deutschlands von immenser Bedeutung sind“, nicht in Deutschland sein könne, doch betont, dass er in Aligarh „[s]einem Vaterlande mit allen Kräften“ diene. Drei Jahre später, am 25. Juli 1936, beschreibt er gegenüber Littmann seine Abreise aus Indien nicht als „Auszug“, sondern als „Triumphzug“. Bewusst habe er sich „als Deutscher gefühlt und immer so gehandelt, wie es unseres Vaterlandes würdig ist.“

Die Briefe an Littmann sind unmissverständliche Zeugnisse für Otto Spies’ antisemitische Überzeugungen, die über eine bloße opportunistische Positionierung zur Förderung seiner Karriere deutlich hinausgehen. Bereits der Forschungsstand von 2015 hätte Zweifel an der Angemessenheit einer wissenschaftlichen Ehrung unter seinem Namen aufkommen lassen sollen. Mit den nun vorliegenden Belegen für Spies’ Unterstützung der nationalsozialistischen Ideologie erscheint eine Fortführung der „Memorial Series“ in seinem Namen jedoch kaum mehr angemessen. Vielleicht wäre es grundsätzlich an der Zeit, über derartige Namensgebungen hinauszudenken – und Wege der wissenschaftlichen Würdigung jenseits der Schatten vergangener Autoritäten zu suchen.





















