28.08.2019
Es droht der Krieg im Krieg
"Protest Aden Arab Spring 2011" von AlMahra (https://commons.wikimedia.org/w/index.php?search=Southern+Transitional+Council&title=Special:Search&go=Go&ns0=1&ns6=1&ns12=1&ns14=1&ns100=1&ns106=1&searchToken=1enj1176cjxeyh89ser5v5p6g#%2Fmedia%2FFile%3AProtest_Aden_Arab_Spring_2011.jpg), Lizenz CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0)/
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Mit der neuesten Eskalation in Aden droht der Südjemen zu implodieren. Wegen des Zerbrechens regionaler Bündnisse verschärft sich die Lage im Jemen weiter. Eine umsetzbare Lösung der Konflikte ist kaum in Aussicht. Von Parham Kouloubandi

Jemens Süden steht kurz davor, von einer Welle militärischer Auseinandersetzungen überzogen zu werden. Seit Tagen liefern sich lokale Milizen und Regierungstruppen Kämpfe in mehreren südlichen Provinzen, die in größere Konfrontationen eskalieren können. Die Konfliktparteien sind eigentlich im Kampf gegen die Houthi-Rebellen miteinander verbündet. In der gegenwärtigen Situation droht jedoch ein komplexer Mehrfrontenkrieg im Jemen – ein Krieg im Krieg.

Die Hauptakteure hinter dieser Entwicklung sind Milizen aus dem Süden, deren Entschluss, ihre Differenzen mit der Zentralregierung durch Waffengewalt zu klären, die gegenwärtigen Kämpfe auslöste. Es ist ein drastischer und riskanter Schritt, der, soviel ist klar, von langer Hand geplant wurde. Jemens Süden erlebt im Moment eine gezielte Eskalation, die angesichts der politischen Sackgasse, in der sich das Land seit 2014 befindet, unausweichlich war. Die Konsequenzen dieser Eskalation sind nicht absehbar. Fest steht, dass die jüngsten Entwicklungen noch mehr Probleme und Chaos mit sich bringen dürften.

Startschuss der Kämpfe: zwei Anschläge in Aden

Der Auslöser für die Eskalation waren zwei Ereignisse, die weder miteinander noch mit den späteren Kämpfen in Verbindung standen: Am 1. August zündete zunächst der jemenitische Ableger des sogenannten Islamischen Staates Autobomben vor einer Polizeistation in Aden, der Interimshauptstadt im Süden, und riss mehrere Polizisten in den Tod. Am gleichen Tag beschossen Houthi-Rebellen eine Abschlusszeremonie von Militärkadetten mit einer Rakete – Dutzende starben, darunter ein hochrangiger Kommandeur. Zwei schwere Anschläge hintereinander waren ein Schock für die Bewohner*innen Adens, die in den Monaten zuvor vom Bürgerkrieg im Land vergleichsweise verschont geblieben waren.

Dementsprechend groß war das allgemeine Entsetzen, das sich schnell in Wut wandelte. Die richtet sich vor allem gegen die jemenitische Zentralregierung, die für die Anschläge und fehlende Sicherheit in der Stadt verantwortlich gemacht wird. Das politische Hauptorgan Adens, der sogenannte Übergangsrat des Südens (STC), der parallel und in Konkurrenz zur Regierung existiert, nutzte die öffentliche Stimmungslage und rief zu Protesten vor dem Präsidialpalast auf – dem nominellen Regierungssitz.

Es folgten Ausschreitungen, bei denen mehrere Protestierende beim angeblichen Versuch in das Gebäude einzudringen von Palastwachen erschossen wurden. Das heizte die Stimmung weiter an und mündete am 7. August schließlich in militärische Auseinandersetzungen zwischen dem bewaffneten Arm des STC, al-Hizam al-Amni (zu Deutsch: „Sicherheitsgurt“) und regierungstreuen Soldaten. Die STC-Kämpfer, besser organisiert und vorbereitet, eroberten praktisch die Stadt. Nach UN-Angaben wurden dabei mindestens 40 Menschen getötet und 260 weitere verletzt.

In einem späten Deeskalationsversuch rief Saudi-Arabien zu Beginn des muslimischen Opferfestes am 11. August einen Waffenstillstand aus und lud die Konfliktparteien zu Gesprächen nach Dschidda ein. Das beendete zwar die Kämpfe vorerst, entspannte die Lage aber nur wenig: Truppen des STC zogen sich von eroberten Regierungsgebäuden zurück, ohne allerdings besetzte Militärlager aufzugeben. Das wiederum sieht die Regierung als Grundvoraussetzung für Verhandlungen an. Saudi-Arabiens Mühen endeten in einer Sackgasse.

Die Waffenruhe hält bisher in Aden, während anderswo weitere Kämpfe aufflammten: STC-Truppen eroberten ein Militärlager in der benachbarten Abyan-Provinz, während mit ihnen verbündete Einheiten seit Tagen versuchen Ateq, Hauptstadt der südlichen Shabwa-Provinz, von Regierungssoldaten zu erobern. Die generelle Lage ist momentan unübersichtlich, nach tagelangen Kämpfen wurde am 25. August von allen beteiligten Parteien eine Feuerpause ausgerufen. Ob diese hält hängt von Saudi-Arabien ab, das die Verlagerung von Truppen zur Sicherung der Waffenruhe in der Region ankündigte. Eine nachhaltige Lösung ist das allerdings nicht. Es deutet vielmehr vieles darauf hin, dass die Auseinandersetzungen zwischen STC und Regierung sich ausweiten und ein Kontrollverlust droht.

Mit dieser Konfliktlinie zwischen ehemaligen Verbündeten hat Jemens Bürgerkrieg eine neue Phase erreicht. In dieser tauchen die Unabhängigkeitsbestrebungen des Südjemens wieder auf, die seit 2015 dem Kampf gegen die Houthis untergeordnet wurden. Nun sind sie in aller Deutlichkeit präsent: Aden erlebte kurz nach dem Erfolg des STC die größte Massendemonstration seit dem Beginn der Revolution 2011, in denen teils die Sezession vom Rest des Landes gefordert wurde.

Griff nach Macht

In dieser neuen Phase des Krieges löst sich die Anti-Houthi Allianz aus Regierungssoldaten und Milizen aus dem Süden, die sich angesichts des Vormarsches der Houthis geformt hat, auf. Bisher überdeckten die Houthis als gemeinsamer Gegner die Differenzen zwischen den Akteuren, wozu auch die Einflussnahme der saudisch-emiratisch geführten Militärkoalition beitrug. Es war dennoch lediglich eine Zweckallianz, mit der der STC nun öffentlich bricht. Die Gründe liegen aber tiefer, als die zwei Anschläge in Aden

Tatsächlich gab es erste deutliche Anzeichen dafür bereits im Januar 2018, ebenfalls in Aden, als STC-Milizen mit Regierungssoldaten kämpften, was erst durch das Eingreifen der Militärkoalition gestoppt wurde. Die Opposition des STC zur Regierung ist seit langem bekannt, weswegen sich die Ereignisse in Aden abzeichneten. Das heißt allerdings nicht, dass sie hätten verhindert werden können. Dafür sind ihre Ursachen zu komplex, die in der Geschichte des Jemen verwurzelt sind und seit Jahren schwelen. Es bräuchte strukturelle und tiefgreifende Lösungen dafür, die allerdings in der momentanen Lage des Landes undenkbar sind. Ein Blick auf die Ursprünge des STC erlauben einen Einblick in die tieferliegenden Ursachen der gegenwärtigen Kämpfe und dem belasteten Verhältnis des Südjemens zum Nordjemen.

Gegründet wurde der STC im April 2017, nachdem Jemens Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi den Gouverneur der Provinz Aden Aidruss al-Zubeidi sowie den Staatsminister Hani bin Breik entließ. Beide sind prominente Politiker aus dem Süden und Mitglieder der sogenannten Südbewegung (al-Hirak al-Janubi), einer losen Vereinigung von Südjemenit*innen, die mehr Rechte einfordern.

Nachdem al-Zubeidi und bin Breik ihre Ämter verloren, riefen sie eine politische Organisation aus, den STC, und warfen Hadi vor, Südjemenit*innen innerhalb der Regierung zu diskriminieren. Sie bezogen sich dabei auf einen Streit, der seit Jahrzehnten seinen Schatten über den Jemen wirft: Über Jahrhunderte getrennt regiert, vereinigten sich Nord- und Südjemen erst 1990 – nach zwei Kriegen –miteinander. Viele Südjemenit*innen nahmen diesen Prozess allerdings als unfair wahr: Aus ihrer Sicht beruhte die Einigung auf falschen Versprechungen, marginalisierte sie vom Zentralstaat und bevorzugte den Norden auf Kosten des Südens.

Es folgte 1994 ein Bürgerkrieg, den der Süden entscheidend verlor und der tiefe Ressentiments gegenüber den Nordjemen zementierte – auch gegenüber Hadi, weil er, als ursprünglich südjemenitischer General, mit der Zentralregierung in diesem Konflikt kooperierte. Trotz Niederlage separatistische Bestrebungen und Misstrauen gegenüber dem Norden blieben eine treibende Kraft im Süden, auch wenn die Forderungen zwischen Sezession und Autonomie schwanken.

Diese Ressentiments des Südens gegenüber dem Norden erklären, warum sich die Wut der Bewohner*innen Adens nach den zwei Anschlägen gegen die Zentralregierung richtete und der Sieg des STC so euphorisch gefeiert wurde. Dahinter stecken tiefe Risse, die bis heute nachwirken und nicht einfach gelöst werden können – insbesondere nachdem der bis dato umfangreichste Versuch kurz nach der Revolution krachend scheiterte.

Der Präsidialpalast in Aden, an dem sich der Streit entfachte und den die Milizionäre des Sicherheitsgurtes nach schweren Kämpfen schließlich eroberten, stand in dem Sinne als Symbol nordjemenitischer Kontrolle in Südjemens früherer Hauptstadt im Zentrum der Auseinandersetzungen. De facto ist der Palast ohne Bedeutung, da er leer ist. Es war ein symbolischer Akt des STC, die Zentralregierung von dort zu vertreiben.

Allerdings war bin Breik – Vizepräsident des STC und zentrale Figur hinter den Ereignissen – bedacht, Hadi nicht allzu deutlich herauszufordern. In seinen Ansprachen nach den Anschlägen rief er Adens Bewohner*innen auf, jene innerhalb der Regierung zu verjagen, die zur „terroristischen“ Islah-Partei gehören. Die Islah-Partei, alliiert mit der Hadi-Regierung, setzt sich dabei aus der jemenitischen Muslimbruderschaft sowie der Haschid-Stammeskonföderation zusammen und wird im Süden als Instrument nördlicher Einflussnahme gesehen. Statt Hadis Legitimität direkt zu hinterfragen, griff bin Breik vordergründig dessen Verbündete an, um weder Hadis wichtigsten Unterstützer Saudi-Arabien zu verärgern noch gegen UN-Resolutionen zu verstoßen, die Hadi als legitimen Präsidenten anerkennen.

Bin Breik nutzte die im Süden verbreitete Vorbehalte gegenüber der Islah-Partei als Vorwand, um die Zentralregierung anzugreifen, wofür die zwei Anschläge als willkommene Auslöser dienten. Es ging weder um die Islah-Partei noch um einen Protest gegen die Houthis oder al-Qaida, sondern um eine Machtdemonstration gegenüber der jemenitischen Zentralregierung.

Bin Breik wusste, dass die Regierungstruppen in Aden seinen Kämpfern unterlegen sind und nutzte die Gelegenheit, um die politische Stellung des STC auszubauen. Mit seiner Einladung nach Dschidda und der damit einhergehenden Anerkennung des STC als politische Organisation durch Saudi-Arabien ist dieser Plan aufgegangen. Bin Breik ist es gelungen, Verhandlungen über den Status des Südjemens zu forcieren – mit sich selbst als zentralem Akteur. Die Ausweitung der Angriffe auf Regierungspositionen in anderen Provinzen könnte die Verhandlungsposition des STC für größere Konzessionen weiter auszubauen. Sollte die STC mit Shabwa eines der zwei Zentren jemenitischer Erdölproduktion erobern, baut sie ihre Machtposition deutlich aus.

Die Hadi-Regierung, die bin Breik als Terroristen brandmarkte, ist sich dessen bewusst, weswegen die Armee nach den zwei Niederlagen gegen den STC Shabwas Hauptstadt Ateq unbedingt halten möchte. Sie sieht sich als alleinige rechtmäßige Repräsentantin Jemens, hat allerdings in Aden, der momentanen Hauptstadt, jeglichen Einfluss verloren und damit zum zweiten Mal nach 2015 in Sanaa ihren Regierungssitz aufgeben müssen. Das schmälert ihre Legitimität, was Ateq umso wichtiger macht.

Drohende Fraktionalisierung 

Bei einem weiteren Erfolg in Shabwa könnte sich der STC innerhalb weniger Wochen an die Spitze südjemenitischer Bestrebungen setzen und sich innerhalb der Bewegung profilieren. Schon jetzt ist sie die prominenteste Organisation Südjemens, ohne allerdings die einzige oder militärisch schlagkräftigste zu sein. Tatsächlich lehnen Teile der Südbewegung den STC ab, was zu einer Zersplitterung des Südens führen könnte, sollten sich die Kämpfe ausweiten.

Zentral ist hierbei der außenpolitische Kontext: Angesichts der Schwäche des jemenitischen Militärs, haben die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) 2016 angefangen, mehrere Milizen im Süden aufzubauen und durch Training und finanzielle Zuwendungen zu schlagkräftigen Einheiten zu formen. Einerseits sollten damit die Houthis effektiver bekämpft werden, andererseits wollten die VAE ihre Macht im Jemen ausbauen und die südlichen Hafenstädte in ihre maritime Strategie einflechten. Dafür bildeten die VAE, so die Schätzung eines Offiziellen gegenüber Reuters, rund 90.000 Milizionäre aus. Nicht von ungefähr bezichtigte daher die jemenitische Regierung die VAE durch ihre Unterstützung des STC an einem Putsch mitgewirkt zu haben.

Was die Konstellation im Südjemen so komplex macht, ist der lokale Ansatz, den die Emiratis im Aufbauen der Milizen verfolgten, weswegen diese hauptsächlich in bestimmten Provinzen vertreten sind. Dadurch ist ein vielschichtiges Geflecht mehrerer Milizen gewachsen, die lediglich eine lose Identität als Südjemeniten miteinander teilen und nicht unbedingt die gleichen Ziele haben. Der STC hat beispielsweise Verbündete in der Shabwa-Provinz und in Teilen von Hadramaut. In Mahra, an der Grenze zu Oman, widerum haben lokale Milizen bereits zum Widerstand gegen ihn aufgerufen.

Das erhöht das Eskalationspotenzial und könnte den Süden des Landes in kleinere Teilgebiete, kontrolliert von einzelnen Milizen zersplittern lassen, die um Einfluss und Territorien mit sich selbst und der Regierung konkurrieren. Denn es ist nicht nur der STC, der ein angespanntes Verhältnis mit der Zentralregierung hat. Die Ereignisse in Aden könnten daher Kämpfe aufflammen lassen oder anheizen. Die bereits erwähnten Gefechte in Shabwa wurden beispielsweise ursprünglich zwischen Regierungstruppen und einer lokalen Miliz bereits im Juli ausgetragen und damals durch einen Waffenstillstand beendet. Der Erfolg des STC und ihre Unterstützung der lokalen Einheiten ließ sie wieder ausbrechen.

Unwahrscheinlicher Frieden

Die Situation im Südjemen ist insofern schon seit längerem angespannt, weswegen die Ereignisse in Aden sich ankündigten und am Ende nur der Auftakt für eine weitere Verschärfung der Kriegszustände sein könnten. Ein großes Problem ist dabei, dass die internationale Gemeinschaft den Süden ignoriert hat – so erwähnt keine UN-Resolution die Lage dort, was auf Vorbehalte der Hadi-Regierung zurückzuführen ist, aber letztlich zu einer Intensivierung der Spannungen beigetragen hat. Akteure wie der STC sehen militärische Aktionen als Mittel für politische Anerkennung, nachdem sie jahrelang nicht beachtet wurden. Dieses Versäumnis treibt nun Konfrontationen an.

Es ist dabei kein Zufall, dass der STC ausgerechnet jetzt beschlossen hat, gegen die Regierung vorzugehen und die generelle Lage im Süden eskaliert. Das hängt mit zwei Entwicklungen zusammen.

Einerseits waren viele Südmilizen an den Fronten gegen die Houthis beschäftigt und kämpften mit Regierung und Islah-treuen Einheiten zusammen. Im Dezember 2018 wurde allerdings das Stockholm-Abkommens zwischen Regierung und Houthis ausgehandelt, das die Demobilisierung der, bis vor kurzem, größten Front im Krieg an der Stadt Houdeida vorsieht. Obwohl noch nicht umgesetzt, stärkt das Abkommen Vermutungen im Süden, dass sich Regierung und Houthis gegen sie verschwören.

Diese Angst vor einem Komplott des Nordens waren auch nach den zwei Anschlägen in Aden sichtbar: Es heißt, Hadi-Regierung und Islah-Partei hätten sich mit den Houthis abgesprochen und ihnen mitgeteilt, wann und wo die Abschlusszeremonie in Aden stattfindet, damit diese sie angreifen können. Dieses tiefe Misstrauen erhöht die Wahrscheinlichkeit größerer Konfrontationen zwischen Regierung und Südmilizen, wozu das Stockholm-Abkommen ironischerweise beiträgt. Es rächt sich, dass sich jegliche UN-Bemühungen auf Regierung und Houthis beschränkten und die Südbewegung ausschlossen (was allerdings Schuld des UN-Sicherheitsrates und nicht der UN-Mission im Land ist).

Andererseits hat sich die Situation im Südjemen gerade in den letzten Wochen verschärft, weil die VAE letzten Monat, in einem etwas überraschenden Schritt, ihre Präsenz im Jemen heruntergefahren haben und anfangen, sich militärisch aus dem Land zurückziehen. Für die Milizen, die ohne emiratische Unterstützung ihre Schlagkraft ein Stück weit verlieren, ist das ein Grund, ihre momentane Stärke noch auszunutzen, um ihren politischen Zielen näher zu kommen. Für den STC hieß das, Aden und Shabwa zu kontrollieren, für andere Milizen könnte es heißen, Regierungstruppen und Islah-verbundene Einheiten aus ihren Heimatprovinzen zu drängen, die im Gegensatz zu den Houthis eine militärische Präsenz dort haben. Das wird die Front gegen die Houthis schwächen.

Saudi-Arabien vor Problemen – Houthis als Nuthnießer

Für Saudi-Arabien, dessen Intervention sich hauptsächlich gegen ebenjene richtete, sind das schlechte Nachrichten. Vom schnellen Sieg, der im April 2015 verkündet wurde, ist Riad weit entfernt, während die Hadi-Regierung, ihr Hauptverbündeter, in ihrer schwächsten Position seit Beginn des Krieges ist. Es ist nicht klar, inwiefern sich die VAE mit Saudi-Arabien vor ihrem Teilrückzug abgesprochen haben, aber Riad wird nur noch bedingt auf die Hilfe des militärisch fähigen Koalitionspartners setzen können.

Saudi-Arabien stellt das vor Probleme. Der Kampf gegen die Houthis verläuft angesichts regelmäßiger Raketen- und Drohnenangriffe sowie bewaffneten Einfällen in Saudi-Arabiens Süden katastrophal. Gleichzeitig bringen die Spannungen im Persischen Golf mit Iran und die Strategielosigkeit der USA das Königreich an den Rand seiner politischen Belastbarkeit. Und anders als die VAE kann sich Saudi-Arabien nicht so einfach aus dem Jemen zurückziehen, ohne vorher erreichte politische Einigung. Der STC versucht diese Schwäche auszunutzen, indem er gegen Riads Verbündeten, die Hadi-Regierung, vorgeht und gleichzeitig Saudi-Arabiens Führungsrolle anerkennt. Bin Breik weiß zwar, dass das saudische Militär zu sehr mit den Houthis beschäftigt ist, um eine zweite Front im Süden gegen den STC zu öffnen und will keine saudische Reaktion unnötig provozieren. Gleichzeitig möchte er Fakten schaffen, die den STC als zentralen Akteur bestätigen und seine Rolle im Jemen unbestreitbar machen. Bisher funktioniert es, auch weil Saudi-Arabien überfordert scheint. Aber es bleibt ein riskanter Versuch.

Der große Gewinner sind die Houthis, die weiterhin die stärkste Kraft im Land bleiben. Wenn Südmilizen ihre Zusammenarbeit mit der Regierung herunterfahren oder sich gegenseitig bekriegen, werden die Houthis militärisch praktisch ohne ernsthafte Konkurrenz sein. Ihre regelmäßigen und stetig eskalierenden Angriffe auf Flughäfen, Erdölinstallationen und Militärbasen bis in die saudische Stadt Damman hinein, schränken Saudi-Arabiens Handlungsspielraum deutlich ein. Sollte Riad dies einsehen und mit den Houthis notgedrungen Frieden schließen, könnte dies den Rebellen genug Freiraum verschaffen, ihre militärischen Offensiven auszuweiten und diplomatische Lösungen auszuschlagen. Das sind schlechte Nachrichten für den Jemen.

Eine Studie, die von Entwicklungsprogramm der UN aufgegeben wurde, warnte erst im April, dass bis 2022 – sollte der Krieg bis dahin weitergehen – rund eine halbe Millionen Jemenit*innen sterben könnten, ein Großteil davon Kinder unter fünf Jahren. Angesichts der humanitären Krise, die das Land jetzt schon erlebt, sind alle Aussichten auf mehr militärische Konfrontation beunruhigend, doch mit den neuesten Ereignissen im Süden leider wahrscheinlich. Eine Lösung, um das zu verhindern, müsste sowohl die Frage des Südens klären als auch die der Houthis sowie jene strukturellen Probleme, die 2011 zur Revolution geführt haben.

Mit dem Stockholm-Abkommen ist allerdings der momentan einzig existierende diplomatische Ansatz nicht mehr als ein begrenzter Versuch, die Situation in der Hafenstadt Houdeida zu lösen. Und obwohl er politische Fragen explizit ausklammert, lasst er sich nur äußerst zäh umsetzen und steht obendrein kurz vor dem Scheitern. Zudem war sein Zustandekommen schlichtweg Zufall und der Kombination mehrerer Faktoren geschuldet, die Verhandlungen praktisch forcierten. Wiederholen lässt sich das kaum, wobei das Abkommen mit dem Teilrückzug der VAE und der Schwäche der Hadi-Regierung nach den Ereignissen in Aden sowieso vor einer ungewissen Zukunft steht. Houthi-Offizielle hinterfragten bereits in Reaktion zu den Kämpfen den Sinn hinter Verhandlungen mit der Zentralregierung.

Für umfangreichere friedensbildende Initiativen, ob im Norden oder Süden, sind das beunruhigende Vorzeichen, denn sie müssen umfassender sein, als die bloße Entmilitarisierung einer Stadt. Es rächt sich, dass die Konflikte im Jemen über Jahre von der Staatengemeinschaft ignoriert wurde.

Parham Kouloubandi studiert an der Sciences Po in Paris International Security und beschäftigt sich hauptsächlich mit sicherheitspolitischen Fragen und zwischenstaatlichen Beziehungen in Westasien. Sein Fokus liegt auf bewaffneten Konflikten und Diplomatie, vor allem in Hinblick auf die UN. Er ist zudem als Berater für eine ägyptische...
Redigiert von Adrian Paukstat, Maximilian Ellebrecht, Dominik Winkler