29.01.2024
Jahresbericht 2023

Ein Jahr mit viel Engagement im Verein, verschiedenen Projekten und zwei Präsenztreffen ist zu Ende. Wir blicken zurück und freuen uns 2024 auf die neue Magazin-Koordination und eine Feier zum fünfjährigen Bestehen von dis:orient.

Im vergangenen Jahr dominierten viele bedrückende Nachrichten unsere Schlagzeilen: Kriege und Konflikte, durch den Klimawandel ausgelöste Naturkatastrophen sowie ein Anstieg rassistischer und antisemitischer Gewalt. Neben vielen Enttäuschungen gab es auch kleine Hoffnungsschimmer, wie das Ende der Dominanz der COVID-19-Pandemie sowie unermüdliche Proteste für politischen Wandel und Menschenrechte.

All das waren Themen, mit denen wir uns im Verein, im Rahmen der zahlreichen Artikel im Magazin und in Veranstaltungen, beschäftigt haben. Gemäß der dis:orient-Tradition begann das Jahr mit dem Summit in Berlin, wo wir uns die Zeit für Projektplanung und interne Umgestaltungen, wie der engeren Verzahnung von Bildungsarbeit und Social Media sowie der Erarbeitung eines Schutzkonzepts für unsere Mitglieder, nahmen. Ebenso standen neue Entwicklungen beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Bereich Grafikdesign im Fokus.

Im Herbst trafen wir uns zu unserer Zukunftswerkstatt in der Wassermühle Hohenfinow. Angesichts der für alle belastenden Ereignisse in Palästina/Israel war das Wochenende für uns ein kleiner Lichtblick, bei dem wir viel Platz für Austausch einräumten. Zugleich diskutierten wir Strukturen und Weiterentwicklungen im Verein und schmiedeten Pläne für das kommende Jahr. 2024 jährt sich der Re-Launch von dis:orient zum fünften Mal  – ein Grund zum Feiern!  

Der nachfolgende Jahresbericht gibt einen Rückblick auf zwölf Monate Berichterstattung und politische Bildungsarbeit zu WANA, Deutschland und Dazwischen. Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle an unsere Förder:innen und Unterstützer:innen. Ohne eure Unterstützung wäre das nicht möglich gewesen!

Das Online-Magazin

Der Anschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, der zerstörerische Krieg in Gaza und der aufgeladene Diskurs in Deutschland stellen uns als Redaktion vor die schwierige Aufgabe, konstruktiv zu sein. Welche Stimmen, welche Perspektiven, welche Argumente können wir veröffentlichen, um den deutschsprachigen Diskurs zu erweitern und zu bereichern? Wie immer versuchen wir, sowohl Stimmen von vor Ort und aus der Diaspora, als auch Meinungsartikel zum deutschen Diskurs zusammenzubringen. Bis Ende Dezember konnten wir zehn Texte und unser Statement zum Thema veröffentlichen, die auch zu unseren meistgelesenen Artikeln 2023 gehören.

Unsere Kolumnist:innen Mina Jawad, Omid Rezaee, Marina Klimchuk und Hannah El-Hitami haben wieder einen wichtigen Beitrag zu unserem Magazin geleistet. Sie begleiten und diskutieren deutsche Debatten zu WANA, zu Rassismus, zu internationaler Politik und zu Völkerrecht – nicht zuletzt, indem sie den Bezug zur aktuellen Lage in Israel und Palästina, in Afghanistan und Iran herstellen. Vielen Dank dafür! Omid Rezaee scheidet zum Jahreswechsel leider aus unserem Kolumnist:innen-Team aus. Für deinen kritischen Blick, deinen wertvollen Input zur Berichterstattung und Situation in Iran und die Zusammenarbeit in den vergangenen drei Jahren danken wir dir herzlich, Omid!  

Weitere Schlaglichter für das Jahr 2023:

Das Erdbeben in der Region zwischen Türkei/Kurdistan und Nordsyrien am 6. Februar: Unter diesen Vorzeichen beging die Türkei sowohl die Präsidentschaftswahlen als auch die Feierlichkeiten zu 100 Jahren Republik. Im Laufe des Jahres folgten weitere Erdbeben in Marokko und in Afghanistan. Der Klimawandel ist auch in WANA keine abstrakte Überlegung mehr, sondern bittere Realität. Weitere Anlässe zur Berichterstattung waren die Flutkatastrophe in Libyen im September und die Waldbrände im gesamten Mittelmeerraum im Sommer. Umso mehr enttäuschte auch dieses Jahr wieder die Klimakonferenz COP28, die im Dezember in den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfand. 

dis:orient ist auch eine Plattform für Stimmen, die sich in WANA für die Umwelt und das Klima einsetzen – oder Entwicklungen wie die steigende Investition in erneuerbare Energien in der Region kritisch begleiten. Hier ist die Übersetzung eines Texts von unserer marokkanischen Partnerin von En Toutes Lettres hervorzuheben. Oumaima Jmad sprach im Süden Marokkos mit Frauen, die in unmittelbarer Nachbarschaft zur weltweit größten Solaranlage leben. Begleitend dazu empfehlen wir die Analyse deutscher Interessen am Ausbau der erneuerbaren Energien in der Region. 

Wie auch im letzten Jahr bewegten uns 2023 die Entwicklungen rund um revolutionäre und emanzipatorische Bewegungen in der Region. Die revolutionären Proteste in Iran konnten wir weiter begleiten, vor allem aus feministischer und kurdischer Perspektive, sowie die Diskussion um die Rolle der Diaspora. Eine dramatische Entwicklung nahm der Kampf um eine zivile Staatsform im Sudan: Am 15. April brachen dort militärische Gruppen einen Krieg vom Zaun, der seitdem für massive Vertreibung und Leid sorgt. In unserem Magazin erschienen Texte zu den Hintergründen, der Lage im Nachbarland Ägypten und der Bericht einer Flucht.

Die Beziehungen und Zusammenhänge zwischen WANA und der EU sind eines unserer Kernthemen. In diesem Jahr zeigte sich das exemplarisch unter anderem an der parallelen Entwicklung in Tunesien, hin zum Autoritären, und der ausgebauten Kooperation in Sachen Migrationskontrolle seitens der EU. Dazu schrieben wir verschiedene Analysen und interviewten eine tunesische Journalistin. Auch im Jemen spielt die EU nach wie vor eine aktive Rolle, wie Amal Sadki aufzeigen konnte.

Last but not least sind Kunst und Kultur aus und in WANA fester Bestandteil des Magazins. Zwei besonders zu empfehlende Kultur-Texte sind eine Analyse der Lyrik von Sherko Bekas, der über irakisch-kurdische Identität schrieb, und Iskander Abdallahs Ausarbeitung eines queeren Umgangs mit und einer neuen Rezeption des arabischen Filmerbes. Unsere Autor:innen besuchten das arabische Filmfestival AlFilm und das kurdische Filmfestival in Berlin, sowie das Kunstfestival „Dream City“ in Tunis – mitgebracht haben sie Filmempfehlungen und O-Töne von Organisator:innen und Kunstschaffenden. Wie gehabt veröffentlichen wir auch Rezensionen zu Büchern aus und über WANA

Unsere Redaktion freut sich über Feedback und Anregungen, jederzeit einreichbar über [email protected]

Die Bildungsarbeit

2023 entschied sich dis:orient für eine Neuorientierung und Reduzierung der Bildungsarbeit, um Strukturen zu überdenken und die knappen Ressourcen des Vereins nicht überzustrapazieren. Jenseits klassischer Veranstaltungs- und Workshopformate wollen wir Bildungsarbeit in Zukunft stärker im Kontext der sozialen Medien denken und passende Inhalte entwickeln. Als Pilotprojekt wurde das Begriffs-Glossar weitergeführt. Eine entsprechende Darstellung auf unserer Website ist derzeit in Entwicklung und wird Anfang 2024 online gehen. 

Trotz der selbst verordneten Pause in der Bildungsarbeit fanden 2023 drei Events des Vereins statt: 

„We are from there“ - Filmscreening mit Q&A mit Produzent Christian Eid | 02.02.2023

Das Familienporträt beschäftigt sich mit Entwurzelung und Heimat im Kontext des Kriegs in Syrien. In Zusammenarbeit mit dem Verein S27 und der Fachschaft der FU Islamwissenschaften konnte dis:orient den Film im Falschen Fisch in Berlin vor vollem Haus zeigen. Vor dem Film gab es ein kurdisches Buffet und im Nachgang eine lockere Gesprächsrunde mit dem Produzenten Christian Eid. Der Regisseur Wissam Tanios musste leider kurzfristig absagen.

Ort: Falscher Fisch, Berlin
Referierende: Christian Eid
Moderation: Elena Athina Mieslinger und Georg Layr
Teilnehmende: 70-80 Personen
Partner: S27 – Kunst und Bildung und die Fachschaft der FU Islamwissenschaften

„Let's talk about Men, Mohamed!“ - Machi Rojola Podcast Live Recording | 23.02.2023

Soufiane Hennani beschäftigt sich in seinem Podcast mit dem Thema Maskulinitäten. Für eine Folge zeichnete er ein Gespräch mit dem Journalisten und Autor Mohamed Amjahid vor Publikum im Buchladen Khan Aljanub in Berlin auf. Zentrale Themen waren queere Identitäten und Männlichkeiten zwischen Deutschland und Marokko, sowie Mohameds aktuelles Buch "Let’s talk about sex, Habibi".

Ort: Khan Aljanub, Berlin und online im Livestream
Referierende: Soufiane Hennani & Mohamed Amjahid
Teilnehmende: 15 Personen vor Ort und 400 Views Online
Partner: Machi Rojola, Khan Aljanub, Baynatna
Link: https://www.facebook.com/disorientde/videos/573291001380955 

Türkei-Wahl: Hoffnungsschimmer für syrische Geflüchtete und Nordsyrien? | 12.05.2023

Zum Anlass der Wahl in der Türkei stellte diese von Adopt a Revolution initiierte Veranstaltung die Auswirkungen auf Syrien sowie die aktuellen Entwicklungen in Nordsyrien ins Zentrum. Die eingeladenen Aktivist:innen und Expert:innen besprachen mit dem Publikum lebhaft die Positionen der türkischen Parteien zu Syrien sowie die Perspektiven für die Zeit nach der Wahl.

Ort: Südblock, Berlin
Referierende: Dr. Hilal Alkan, Zentrum Moderner Orient, Bassam Al Ahmed (Syrians for Truth and Justice), & ein Aktivist aus Nordwestsyrien 
Moderation: Christin Lüttich
Teilnehmende: 60 Personen
Partner: Adopt a Revolution, Heinrich Böll Stiftung

Die Öffentlichkeitsarbeit

2023 gab es in Sachen Öffentlichkeitsarbeit insbesondere intern einige Veränderungen. Pauline Jäckels übernahm die Leitung der Öffentlichkeitsarbeit von Magdalena Süß und übergangsweise auch die Koordination des Social Media-Teams, bis eine Vertretung für Jennifer Kleemann, die das Social Media-Team leider verlassen hat, gefunden war. Wir danken dir, liebe Jenny, für deine wertvolle Arbeit als Social Media-Koordinatorin! Seit Dezember 2023 hat Noemie Volk die Social Media Koordination inne.

Im Zuge dieser personellen Veränderungen haben wir das Social Media-Team, das aktuell den Kern unserer Öffentlichkeitsarbeit bildet, umstrukturiert. Aus zwei Teams, die sich vorher jeweils entweder Instagram bzw. Facebook und Twitter/X gewidmet haben, ist ein Team geworden, das gemeinsam alle Plattformen bespielt. 

In diesem Jahr konnten wir unsere Reichweite vergrößern und so noch mehr Menschen mit unseren Inhalten zu WANA erreichen. Auf Instagram stieg unsere Follower:innenzahl um ein Drittel, also um etwa 800 Menschen. Den größten Zuwachs an neuen Follower:innen haben wir am 11. Oktober verzeichnet, nachdem wir unser kollektives Statement zur Situation in Israel und Palästina geteilt haben. Der Post erreichte über 5.000 Menschen und wurde vielfach geteilt. Auch auf Twitter/X konnten wir neue Follower:innen gewinnen.

Unser monatlicher Newsletter, mit Artikelempfehlungen, wichtigen News aus WANA und Kulturtipps, wurde 2023 weiterhin von Pauline Jäckels kuratiert und von Alicia Kleer, Magdalena Süß und Regina Gennrich redigiert. Hier konnten wir über 150 neue Abonnent:innen dazugewinnen – ein Zuwachs von etwa 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für unseren Newsletter kannst du dich ganz einfach hier anmelden. 

Wenn du auch Lust hast, unsere Öffentlichkeitsarbeit mitzugestalten,  melde dich immer gerne über [email protected].

Verein und Aktive

Auch 2023 freuen wir uns wieder über alle, die als neue Mitglieder und Fördermitglieder zu dis:orient gekommen und uns als solche erhalten geblieben sind. Besonders toll ist, dass wir dieses Jahr zwölf neue Mitglieder und Fördernde gewinnen konnten. Die Inflation und Prekarisierung machten sich weiterhin bemerkbar und einige langjährige Unterstützer:innen mussten ihre Fördermitgliedschaft leider kündigen. Wir haben dafür natürlich volles Verständnis und sind dankbar, dass ihr unsere Arbeit ermöglicht habt. Solltest du oder Personen in deinem Umfeld Interesse an einer Fördermitgliedschaft haben, freuen wir uns sehr. Du hast noch Fragen oder Bedenken? Dann melde dich gerne bei Lissy unter [email protected].

Im Vorstand mussten wir uns letztes Jahr sehr schweren Herzens von Dominik Winkler verabschieden. Danke, Domi, für dein Engagement und vor allem deinen Humor! Auch Sören hat sich nach jahrelangem Engagement im Verein und im Vorstand leider aus diesem verabschiedet. Vielen Dank auch dir für deine Bemühungen, unserer Arbeit mehr Struktur zu geben. Dafür sind Eva Hochreuther und Pauline Jäckels in den Vorstand gekommen. In diesem Rahmen haben wir die Chance genutzt und die Vorstandsposten neu strukturiert. Eva übernimmt den Posten Koordination und Pauline hat von Magdalena die Öffentlichkeitsarbeit übernommen. Neben den Neuzugängen, über die wir uns sehr freuen, blieben weiterhin im Vorstand: Wais Kauomee (Community Management), Magdalena Süß (Vorsitz), Georg Layr (Digitale Infrastruktur und Projekte) und Alicia Kleer (Mitgliederbetreuung und Vertrauensperson). 

Weitere Personen übernahmen im vergangenen Jahr wichtige Aufgaben: Der Newsletter wurde 2023 von Pauline Jäckels gestaltet und wir freuen uns, dass sie diese wichtige Aufgabe weiterhin übernimmt. Seit Anfang 2022 übernimmt Clara Taxis die Magazin-Koordination und bringt nach wie vor frischen Wind, gute Ideen und ganz viel wichtige Strukturarbeit ins Magazin ein. Zu Beginn des neuen Jahres wird sie diesen Posten leider abgeben. Das finden wir super schade und freuen uns, dass Clara weiterhin im Magazin mitarbeiten wird. Es ist wirklich kaum in Worte zu fassen, wie wichtig deine Arbeit die letzten zwei Jahre war! Wir freuen uns natürlich auch auf Neues: Die Journalistin Hanna Fecht übernimmt die Magazin-Koordination. Vielen Dank! Sophie Romy Renner hat 2023 die Koordination unserer zweiwöchentlichen Kolumne „des:orientierungen“ übernommen und wurde dabei von Regina Gennrich unterstützt. Es ist super, dass die beiden diese Aufgabe auch 2024 übernehmen. 

Wie immer gilt: dis:orient, das sind viele. Viel mehr als hier genannt wurden. Dabei gibt es viele Perspektiven, viel Fluktuation und viele, die jahrelang dabei sind. Um Menschen, die sich gerne bei dis:orient engagieren möchten, den Einstieg zu erleichtern, haben wir ein neues „Buddy“-System eingeführt. So bekommen alle zu Beginn eine Person zugeteilt, die neue Menschen etwas durch unsere Kommunikations- und Arbeitsstruktur begleitet. Wenn du auch Lust hast, mitzumachen, melde dich immer gerne über [email protected].

Finanzen

Auch 2023 wurde der Großteil der Vereinsaktivitäten von unseren (Förder-)Mitgliedern getragen. Diese Einnahmen sind wichtig für uns und wir danken auch an dieser Stelle nochmal allen, die uns seit Jahren unterstützen. Da es dieses Jahr einen Umbruch in der Bildungsarbeit gab, wurden keine Fördergelder eingenommen. Dennoch erhielt dis:orient durch die veröffentlichten Artikel, wie bspw. die Serien Rezension und grenz:gedanken regelmäßig Spenden.  

Wie auch 2022 flossen die Einnahmen des Vereins vor allem in den Minijob zur Koordination des Magazins und eine Bezahlung der Autor:innen für die Kolumne „des:orientierungen“. Weitere Kosten fielen für den Erhalt der Website, den Vereinsbetrieb und die Präsenztreffen an.

Wenn du Menschen kennst, die unsere Arbeit genauso wichtig finden wie du, dann schicke ihnen doch mal unseren Link mit einer Spenden-Empfehlung. Wenn du uns langfristig als Fördermitglied unterstützen möchtest, dann melde dich gerne unter [email protected] und/oder fülle gleich einen Mitgliedsantrag aus. Mehr Informationen findest du auf unserer Website.

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Wenn Ihr Fragen habt oder euch aktiv einbringen wollt, schreibt uns gerne an [email protected]

Neben regelmäßigen Mitgliedsbeiträgen freuen wir uns auch über Spenden. Da dis:orient e.V. ein gemeinnütziger Verein ist, könnt Ihr Spenden und Mitgliedsbeiträge auch steuerlich geltend machen. 

Wir wünschen allen Unterstützer:innen, Autor:innen, Referent:innen, Leser:innen und Interessierten alles Gute für das Jahr 2024 und danken für die Unterstützung!

 

 

 

dis:orient – das sind viele Menschen. Manchmal posten wir aber auch als Team – meist in eigener Sache.